Um Demokratie und Stabilität in einer Diktatur zu erreichen, darf man sich nicht nur an die betreffende Regierung halten und mit deren gutem Willen rechnen. Doch auch demokratisch gewählte Regierungen scheinen Probleme zu haben, die fremde Zivilgesellschaft als Partner zu begreifen. Das Streben nach “Recht und Ordnung” räumt zu oft der Ordnung einen hohen Stellenwert ein, und dies im Glauben, dass ein autoritärer Staat zumindest Sicherheit und Wohlstand gewährleiste.
Dass dem nicht so ist, zeigt etwa das Beispiel Birmas, wo sich Wohlstand und Entwicklung auf eine sehr kleine und zudem u.a. ethnisch bestimmte Gruppe beschränken.
Mir scheint, dass in Deutschland – vor allem in politischen, institutionellen und gesellschaftlichen Führungkreisen – zudem oft ein gewisses Unbehagen mit fremden Kulturen zu finden ist, bei denen eine politische Betätigung sehr viel persönlicher und emotionaler auftritt, weniger in regulierten, institutionalisierten Formen, und wo sich dies Engagement in anderen Riten ausdrückt und andere Symbole verwendet, als sie in Deutschland geläufig sind (und daher schon gar nicht mehr als kulturelle Eigenheit wahrgenommen werden).
Es darf daher nicht überraschen, wenn sich die Oppositionsbewegung Birmas kritisch zu Wort meldet: Birmas Oppositionschefin fordert mehr deutsches Engagement und “Deutschland könnte mehr für Birma tun”. Sicher, auch die Opposition muss sich Kritik gefallen lassen, aber das gehört zu einer lebendigen Demokratie, die nicht nur in Vorstandsetagen und Luxushotels stattfindet, sondern sich dort bildet, wo sie am dringendsten benötigt wird und wo es zunächst einmal um das Überleben der Institutionen und ihrer Mitglieder geht.
Der Verdacht hängt immer noch in der Luft, dass wirtschaftliche Interessen den Ausschlag für die Position der deutschen Regierung geben, die nicht unbedingt dazu geeignet sind, Demokratie und die Einhaltung von Menschenrechten zu fördern. Von zahlreichen Investitionen und Kollaborationen mit der Junta wurde schon im Jahr 1996 berichtet. Das Asienhaus schreibt 2004 vom Außenhandel zwischen Burma und Deutschland im Steigflug – wobei sich der daraus folgende Höhenflug sicher nur auf diejenigen Teile der birmanischen Bevölkerung beschränkt, die das Regime am neuen Reichtum teilhaben lässt. Weitere Einzelheiten sind in meinem älteren Beitrag Ein kritischer Blick auf Deutschland und sein Verhältnis zu einer Militärdiktatur zu finden, wo auch Pro Asyl zu Wort kommt.
Ich sehe also zwei Gründe ausschlaggebend für dieses problematische Verhältnis:
- Zu einem großen Teil geht es einfach um wirtschaftliche Interessen und eine daraus folgende Vernachlässigung “idealistischer” Werte. Darin steckt auch die Neigung zu einer sehr “kolonialistischen” Einstellung, nach der man auf die Bevölkerung der sogenannten (und so behandelten) “Dritten Welt” mit einer merklichen Geringschätzung hinab blickt, indem man bei ihnen sehr viel geringere Wertmaßstäbe anlegt als bei Landsleuten, zudem mit der Überzeugung, man wisse besser als sie, was gut für sie sei. Diese sehr massive wirtschaftliche und politische Einmischung geht oft mit einer zynisch anmutenden Forderung nach Nichteinmischung einher, was universelle Menschenrechte betrifft.
- Daneben trifft man viele Beteiligte, die eigentlich an einer Verbesserung der Lage interessiert sind, die sich aber ihre “Expertenmeinung” bereits als Reisende oder Expats in Birma bilden. Ich würde mir diesen Standpunkt keinesfalls anmaßen und halte es für unglaubhaft, lächerlich oder sogar gefährlich, wenn Ausländer nach kurzer Zeit und mit der Begründung, bereits mehrfach im Land gewesen zu sein und mit örtlichen Partnern zusammenzuarbeiten, behaupten, mit Sicherheit den richtigen Weg weisen zu können. Mit verlässlicher Regelmäßigkeit lässt sich feststellen, dass nicht einmal Birmanen von allen wichtigen Vorgängen in ihrem eigenen Land wissen, was angesichts der unterdrückten Presse und einer Politik der Apartheid nicht verwunderlich ist. Oft lässt sich zudem feststellen, dass sich viele ausländische Experten von der Art der Selbstinszenierung birmanischer Exilaktivisten abgestoßen fühlen, so dass sich ihre Behandlung dieser Thematik dann oft wie eine persönliche Abrechnung ausnimmt.
Möglicherweise lässt sich der Auffassung von Demokratie und der Umgang mit Zivilgesellschaft in anderen Ländern darauf zurückführen, wie man dazu im eigenen Land steht. Deutschlands politischer Mythos lässt sich vielleicht auf den Begriff “Exportwirtschaft” reduzieren. Es bräuchte sicher eingehendere Forschungen, ob dahinter eine moderne Form des Kolonialismus, zumindest aber eine deutsche Variante von Said’s Orientalismus steckt. Mich würde es nicht überraschen.
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