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Daten zur Förderung von sanftem Tourismus in Myanmar

Verschiedenste Wege wurde bereits eingeschlagen, um sanften, nachhaltigen oder verantwortungsbewussten Tourismus1 zu fördern. Das Problem scheint dabei nicht nur darin zu bestehen, dass die Verantwortung wie eine heiße Kartoffel zwischen Reisenden, Reiseunternehmen und staatlichen Behörden hin und her geschoben wird. So sagen die Unternehmen, dass sie ihr Angebot lediglich der Nachfrage anpassen, während die Kunden dem entgegen halten, sie seien in ihrer Auswahl wesentlich auf das beschränkt, was ihnen die Anbieter vorbereitet haben.

Denn auch wenn sich Reisende eindeutig für die ethische Unbedenklichkeit ihres Urlaubs aussprechen, so zeigt sich hier wie auch bei allen auf die Selbstverpflichtung der Branche basierenden Modellen immer wieder das selbe Problem: Verantwortungsbewusster Tourismus definiert sich eigentlich dadurch, dass als primärer Maßstab die Menschen am Urlaubsort dienen. Die jedoch sind, obwohl sie die Hauptbetroffenen sind, nur zu einem unverhältnismäßig geringen Teil an den Entscheidungen beteiligt.

Da hilft es auch nichts, wenn viele Touristen oder auch Unternehmer ethische Grundsätze einbringen oder wenn gemeinnützige Organisationen in deren Herkunftsländern durch Aufklärung, Hilfe und “Strafmaßnahmen” korrektes Verhalten zu fördern versuchen. Denn hier befindet sich der Einsatz für die Rechte anderer immer in einem gewissen Konflikt zu den eigenen Interessen. Das muss nicht gleich zu einer zynischen Ignoranz gegenüber dem Schicksal der Anderen führen, aber doch wird jeder Einzelne anfällig für gewissensbesänftigende Selbstlügen, eine Bequemlichkeit in der Selbstkritik und auch eine gewisse Betriebsblindheit. Mitgefühl ist eben nie das selbe wie direkte Betroffenheit.

Es bleibt wohl der Spekulation überlassen, wie viel aufrichtige Sorge um fremde Menschen im Spiel ist, wenn sich gewinnstrebende Unternehmen Zertifizierungssystemen unterwerfen. Ich persönlich bin da ein Skeptiker, wenn nicht sogar ein Pessimist. Das Problems ist das selbe: Die primär Betroffenen sind am wenigsten an Entscheidungen beteiligt. Es handelt sich also um eine “fehlerhaft geschaltete” Rückkopplung, bei der es nicht zu einer Selbstregulierung kommen kann, da die Wahrnehmung des Fehlers nicht zu seiner Korrektur, sondern ins Leere führt. Dieser Missstand tritt vor allem in solchen Ländern auf, in denen politische Kultur und gesellschaftliche Grundbedingungen eine basisdemokratische Formierung von Interessengemeinschaften und deren Arbeit erschweren. Und das sind häufig gerade Länder im “Globalen Süden”, also in Entwicklungs- oder Schwellenländern der sogenannten (und oft so behandelten) “Dritten Welt”. Dies ist eine logische Folge dessen, dass Urlauber vorwiegend dorthin reisen, wo Dienstleistungen billig sind, wo die Bevölkerung also im Verhältnis zum eigenen Land ärmer ist. Hier ist der Kunde König – nicht nur am Tresen, sondern im ganzen Land.

Die Integration der Betroffenen

Dieses Problem der fehlenden Regulierung von Schäden, die in einem Land oder einer Region durch ausländischen Tourismus verursacht werden, lässt sich also nicht dauerhaft aus der selben Richtung lösen, aus der die allenfalls sekundär Betroffenen kommen, also die Reisenden und Unternehmer. Eine nachhaltige Lösung muss daher immer eine Rückeinbindung der Betroffenen in die sie betreffenden Entscheidungen beinhalten.

Damit ist nun nicht einfach gemeint, dass nationalstaatliche Regierungen oder lokale Behörden die Regulierung der von außen einwirkenden Kräfte übernehmen. Denn so sehr sie zur effektiven Bündelung von vielen individuellen Interessen dienen können, so sehr bilden sie natürlich auch eigene Entitäten mit oft ganz verschiedenen Interessen. Der Kreis der negativen – also korrigierenden – Rückkopplung würde im Fall einer idealtypischen Demokratie durch Wahlen, Transparenz, freie Medien, eine unabhängige Gerichtsbarkeit usw. geschlossen: Bürger üben ihre Macht auf Stellvertreter aus, welche wiederum den Bürgern zu ihren Interessen verhelfen. Von diesem Ideal sind wir jedoch in der Realität oft meilenweit entfernt.

Die Natur der Sache legt nahe, dass die Formierung dieser Interessengemeinschaften spontan und “frei fluktuierend” geschehen sollte. Hier bietet sich der (oft missbrauchte) Begriff der Zivilgesellschaft an: Als Elemente dienen aufgeklärte und handlungsbefähigte Individuen, die die Möglichkeit besitzen, ihr Handeln jederzeit durch Vereinigung ihrer Kräfte zu bündeln. In zweiter Linie sind also die Zugänglichkeit kritischer Informationen und allgemeine Bildung notwendig, zudem genügend materielle Sicherheit und bestimmte politische Freiheiten.

Für viele zivilgesellschaftliche Anliegen ist es zunächst wichtig, dass überhaupt einmal ein Anlaufpunkt besteht. Denn von einem Problem zu wissen heißt noch nicht zu wissen, wo man zu einer Lösung ansetzen soll, ob es vielleicht bereits ähnlich gelagerte Fälle gibt oder gegeben hat, und wer helfen kann. Wer irgendwo in der Welt Menschenrechtsverletzungen melden will, hat vermutlich zumindest eine gewisse Vorstellung, an wen man sich zu wenden hat, um einfach nur die Information loszuwerden. Problematisch wird es in Situationen, wo das gesellschaftliche Gefüge noch nicht die nötigen Strukturen aufweist, die eine Vernetzung von Gleichgesinnten, den Austausch von Erfahrungen und die Nutzung von Synergien ermöglichen.

Sanfter Tourismus in Birma: ein langer Weg

Der konkrete Fall, mit dem ich mich befasse, ist Birma, alias Myanmar 2. Obwohl es dort nun formal ein Parlament gibt und die größte Oppositionspartei eine Strategie der Konfliktvermeidung eingeschlagen hat, der zufolge jeder noch so kleiner Vorteil immer noch besser ist als gar keiner (unter der Annahme, dass diese Vorteile wirklich welche sind), so gibt es doch noch so einige fortbestehende Probleme (vor allem dort, wo die Weltöffentlichkeit ein Auge zudrückt). Zudem sind alle bisherigen Reformen sehr leicht umkehrbar, während es die Zugeständnisse an die Regierung nicht sind.

Was in meiner Meinung ebenfalls sehr schwer wiegt ist ein grundsätzlicher Nachholbedarf der Bevölkerung in einem basisdemokratischen Grundbewusstsein. Das betrifft nicht so sehr die größeren Städte und die besser gebildeten Schichten, die bereits fleißig auf sozialen Medien über Politik und Smartphones diskutieren, sondern die Angehörigen der ethnischen Gruppen und der Landbevölkerung. Hier muss überhaupt erst einmal die Tatsache verständlich gemacht und vor allem glaubhaft in der Wirklichkeit gezeigt werden, dass alle Menschen gleiche Rechte haben sollten3. Dieses Manko besteht nicht bloß im Verhältnis zu wohlhabenden Ausländern, sondern auch zwischen heimischen Ethnien und den gesellschaftlichen Schichten. Armut führt hier auch wie anderswo zu mangelnder Bildung, zu einem verengten Aktionsradius, zu Erfahrungen der Rechtlosigkeit und einer erzwungenen Strategie des Sich-Abfindens mit dem Unabwendbaren.

Diese Probleme lassen sich nicht als geplante Aktion beheben. Vielmehr hoffe ich, dass eine innere Dynamik für einen Ausgleich sorgt, sobald diejenigen Kräfte nachlassen, die diesen bislang verhindert haben. Die Förderung von sanftem Tourismus hängt also ganz wesentlich von gegebenen Faktoren ab. Die Frage stellt sich nun, ob man dennoch etwas beitragen kann, und zudem als Außenstehender, als ein dem “Globalen Norden” Entstammender, ohne zugleich wiederum das oben genannte Prinzip zu vergessen, dass man niemals die primär Betroffenen in ihrer Entscheidungsgewalt ersetzen kann.

Technologie als Katalysator

Unser Ansatz besteht nun darin, ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das die fehlenden Strukturen in der lokalen Gesellschaft von außen her (wie eine Prothese) zu ergänzen sucht und zugleich ihr Wachstum fördert, indem die Beteiligten ermutigt werden und lernen, wie eine Vernetzung funktionieren kann. Inhalte und Initiativen kommen also aus der einheimischen Gesellschaft, die ebenso bestimmt, was mit den gewonnenen Ergebnissen weiter erfolgt.

Primär handelt es sich bei dieser Webseite um eine Datenbank, in der konkrete Fälle von Problemen, die durch Tourismus verursacht wurden, kategorisiert und gespeichert werden und die ihre Darstellung auf einer Landkarte und entlang einer Zeitachse ermöglicht, so dass sich optisch die vielen isolierten Beobachtungen zu einem aussagekräftigen Bild zusammenfügen können. Diese Vorgehensweise entspricht also ganz der Formierung einer Interessengemeinschaft, wo die Einzelnen ihre Isolierung und Machtlosigkeit überwinden, indem sie voneinander erfahren und gemeinsam handeln können.

Dieses Werkzeug, dass mittels digitaler Kommunikations- und Informationstechnologie gewissermaßen ein paar fehlende Entwicklungsphasen überspringt und somit gleich in der Gegenwart ansetzt, soll also letztendlich nur eine Stufe bieten, die einmal von der heimischen Zivilgesellschaft eingenommen werden wird. Vielleicht dient sie sogar einmal – in bescheidenen Ausmaßen – als ein Katalysator für eine themenübergreifende Entwicklung. Mittelfristig ist jedoch nur geplant, sich auf den sanften Tourismus in Birma zu beschränken.

Selbstverständlich ist mit bestimmten Schwierigkeiten zu rechnen: Wie gesagt besteht in der Bevölkerung zur Zeit noch erheblicher Bedarf, sich überhaupt der eigenen Möglichkeit und des Rechts zum politischen Handeln bewusst zu werden. Zweitens steckt das Internet in Birma erst noch in den Kinderschuhen und die Vernetzung hat erst in den letzten Wochen durch Mobiltechnologie neue Impulse bekommen. Damit gehen natürlich auch Probleme der Computerkompetenz einher (wobei andere Informationskanäle durchaus möglich, aber eben aufwändiger sind). Das Konzept des sanften Tourismus muss begriffen werden – was hoffentlich dadurch gefördert wird, dass zunehmend konkrete Fälle verfügbar sein werden. Und nicht zuletzt gibt es die sprachliche Hürde, die wir durch Übersetzungen ins Birmanische zumindest teilweise zu entschärfen versucht haben.

Die zugrunde liegende Technik des “Crowdsourcing” oder konkret “Crowdmapping” – dass also eine Vielzahl von Benutzern gemeinsam zu einer strukturierten Informationssammlung beiträgt – bringt natürlich die typischen “Wikipedia-Probleme” mit sich: Die Vollständigkeit ist von den Interessen der Autoren abhängig und die Zuverlässigkeit der Angaben kann nicht über die Autorität des Herausgebers geregelt werden. In unserem Fall geschieht es durch einen Kreis vertrauenswürdiger Quellen, die durch externe Berichterstatter ergänzt werden.

Es bleibt also zu einem gewissen Grad ein Experiment. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Bemühungen und diejenigen anderer Beteiligter ineinander greifen und sich ergänzen, und dass andere dort einspringen, wo man selbst unzureichend ist. Was sich zumindest sagen lässt ist dies, dass es bislang noch kein Instrument zu geben scheint, mittels dessen Informationen über die Auswirkungen des Tourismus von Betroffenen und kritischen Beobachtern gemeldet und an einem Ort gesammelt und dargestellt werden können. Es ist also zumindest ein Anfang gemacht.

Hinzuzufügen wäre vielleicht noch, dass wir die Informationen nicht nur von Einheimischen beziehen. Hier sind ebenso die Reisenden aufgerufen, nach ihrer Rückkehr aus Birma/Myanmar ihre konkreten Beobachtungen zu melden. Die Seite befindet sich auf https://my.ecoburma.com, für Handys optimiert auf http://m.ecoburma.com .

  1. Diese Begriffe werden oft austauschbar verwendet.
  2. oder Burma in der englischen Variante
  3. Also als hinreichend verbreiteter Grundkonsens.

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