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Außenpolitik ohne Rückgrat

Was hat die deutsche Außenpolitik nur gegen Aung San Suu Kyi? Ist das ein Erbe der DDR, die eine Uniform jedem Dissidenten vorgezogen hat? Hat sich über Sprachlehrer und Akademiker ein gewisses Naserümpfen über ein für deutsches Befinden sehr ordnungsfremdes, emotionales und oft in sich inkonsistentes Verständnis von Demokratie bei birmanischen Aktivisten bis in die Ebenen der Diplomatie und Wirtschaftsstrategen forgetragen, wo es auf ein ohnehin schon nicht ganz einfaches Verhältnis zur Basisdemokratie getroffen sein mag?

Der Artikel “The Eye of the Storm” von Aung Zaw, dem Chefredakteur vom Irrawaddy, beschreibt es so vielsagend, dass ich es hier einfach (übersetzt) zitiere:

Zusätzlich zum Drängen auf internationale Unterstützung für Thein Sein und seine neue Regierung waren Einige in der internationalen Gemeinschaft bemüht, Suu Kyi in die Bedeutungslosigkeit zu drängen. Tatsächlich hat der deutsche Botschafter in Birma, Julius Georg Luy, monatelang versucht gehabt, Suu Kyi auf den selben Platz zu verweisen wie Vertreter kleiner demokratischer Parteien, denen Birmas Militärregime erlaubt hatte, in den vorgetäuschten Wahlen Parlamentssitze zu gewinnen, um ihnen so Legitimität zu verleihen.

Am 14. März hielten die europäischen Botschafter in Birma ein Treffen hinter geschlossenen Türen ab, um über ihre Positionen bezüglich der damals anstehenden Neubewertung der EU-Sanktionen zu diskutieren. Wie eine gut informierte Quelle verraten hat, hat sich der deutsche Botschafter dagegen ausgesprochen, Suu Kyi’s Namen in offiziellen EU-Verlautbarungen zu erwähnen.

 

Luy sei, so der Artikel, auch gegen ein gesondertes Treffen mit Suu Kyi – immerhin die unangefochtene Oppositionsführerin und Siegerin der letzten demokratischen Wahlen im Land – gewesen. Der Eindruck drängt sich folglich auf, dass hier die deutsche Diplomatie versucht, sich beim Regime durch besondere Stromlinienförmigkeit hervorzutun.

Es ging hier ganz eindeutig nicht darum, den Dialog jenseits von Suu Kyi zu erweitern oder einen naiven und kontraproduktiven Personenkult um ihre Person zu vermeiden – beides sehr legitime Ansinnen. Dem damaligen Diktator Than Shwe war sie ein Dorn im Auge, so dass nun einige, statt den Diktator zu bekämpfen, vielmehr versuchten, den Dorn zu beseitigen. Warum?

Vielleicht sind es ganz banale wirtschaftliche Interessen, es geht um Geld und den deutschen Komplex, den man seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit seiner ökonomischen Superpotenz zu heilen versucht, mit Qualität Made in Germany und Export(ex)weltmeistertiteln. Wo immer in der Welt die Kolonialmächte verschwunden sind, dort kommt nun die Nation, die mit ihren Kolonien immer in der zweiten Liga hat spielen müssen. Vielleicht aber ist es auch ganz einfach nur eine Obrigkeitsethik, der zufolge jede Autorität ein Beleg von Erfolg ist und somit ihre Legitimität im Sinne des Leistungsdenkens automatisch in sich trägt. Und jede Junta und ihre demokratischen Fassaden erfüllen natürlich auch die Sehnsucht nach Ordnung und berechenbaren Zuständen.

Dies sind nur ein paar unverbindliche Erklärungsversuche, die mir einfallen, wenn ich die Motive für den Versuch, die Dissidentin politisch auszuschalten, zu verstehen versuche. Der Begriff “vorauseilende Gehorsamkeit” fällt mir ein – leider wohl noch immer ein peinliches Stück deutschen Kulturgutes. Wenn Birma eines Tages zur wirklichen Demokratie finden wird, dann wird man als Deutscher wohl nur sehr kleinlaut – oder mit dickem Portemonnaie – ins Land reisen können. Erwartungsgemäß eher mit dickem Portemonnaie.

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Intelligente Dialogpartner, nützliche Idioten oder skrupellose Geschäftemacher?

Das Engagement deutscher Rüstungskonzerne in Staaten mit schlechtem Ruf gibt schon fast keine Schlagzeilen mehr her. Über frühere Investitionen in die birmanische Militärdiktatur kann man etwa hier nachlesen.

Foto: Wikipedia

Wie der birmanische Exil-Sender Democratic Voice of Burma nun berichtet, scheint momentan die deutsche Waffenfirma Fritz Werner in Birma tätig zu sein – zwar nicht offen für die Rüstung, aber von Häfen und Flughäfen ist die Rede. Als Quelle dient eine regimenahe Zeitung, der es möglicherweise darum geht, mit dieser Darstellung eine Normalisierung der Beziehungen mit Europa zu belegen, wofür die deutsche Rüstungsindustrie als unschlagbarer Beleg zu dienen hätte. Dies käme dem Regime, das erst in den letzten Monaten einen Teil der uniformierten Machthaber gegen gleichgeschaltete Zivilisten (darunter ehemalige Armeeangehörige) ausgetauscht hat, zweifellos sehr entgegen.

Man darf nun mit Recht erstaunt sein, wenn angesichts wiederholter Meldungen wie dieser die deutsche Diplomatie jede Beteiligung oder ein Wissen von den Vorgängen dementiert.

"Ich glaube, es ist völlig durchgerostet!"

Handelt es sich also um Falschmeldungen, oder ist die deutsche Botschaft in Rangun fortwährend getäuscht worden? Oder wird da doch etwas gedeckt, was man beim besten Willen nicht als ethisch einwandfrei bezeichnen kann?

Die Exilzeitung The Irrawaddy hat auf die deutsche Außenpolitik eine deftige Titelzeile gemünzt: Intelligent Dialogue Partners or Useful Idiots? Dem Leser bleibt wohl nichts anderes übrig, als die Antwort aus dem vornehmen Schweigen des Auswärtigen Amtes heraus zu interpretieren. Ein sehr ungutes Gefühl bleibt in jedem Fall bestehen.

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Deutsche Entwicklungshilfe: Hilfsbereitschaft oder Reiselust?

In einem interessante Beitrag fordert Johann Hari, dass nicht bloß Dominique Strauss-Kahn vor Gericht solle, sondern der ganze IMF. Die Kritik ist, zugegebenermaßen, nicht ganz neu, aber in meinen Augen gut vorgetragen. In einer Zeit, in der internationales Verantwortungsbewusstsein an militärischem Engagement gemessen wird, während man bei verkleideten Militärregimen ruhig mal ein Auge zudrückt und die politische Opposition verhungern lässt (nur bildlich gesprochen – denn Sponsoren wie die Europäische Kommission gaben in letzter Zeit für Human Rights Defenders und Non-State Actors nur Geld für offizielle Aktivitäten innerhalb des Landes, was faktisch alle regimekritischen Projekte ausschließt), bahnen sich in Deutschland Reformen an.

Ende Mai stellte der deutsche Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz ein neues Menschenrechtskonzept vor, das vor allem in der Entwicklungshilfe (offiziell: “Entwicklungszusammenarbeit”) Früchte tragen soll. Das Bundes­ministerium für wirt­schaft­liche Zu­sammen­arbeit und Ent­wick­lung verstärke demnach die Ein­forde­rung und Umsetzung von Menschen­rechten. Das klingt nach meiner Ansicht gut, handelt es sich doch um ein bekanntes Defizit der ansonsten eher auf wirtschaftliche Prioritäten und Vermeidung von politischen Verstimmungen konzentrierten deutschen Außenpolitik.

Die Reform führt unter anderem zu einer Zusammenfassung verschiedener Bereiche in der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), beschreibt die neue Richtung in einer für die FDP ungewohnten Vorgehensweise: “Wir tragen keine Gelder der Wirtschaft hinterher, sondern machen es umgekehrt: Wir versuchen, die Wirtschaft für mehr Entwicklung zu begeistern.” Die Frage bleibt bestehen, ob Begeisterung das selbe wie Verantwortungsbewusstsein ist. Ethische Selbstverpflichtungen der Wirtschaft haben gewöhnlich nur wenig Kraft im Vergleich zu Profitstreben – das liegt bereits im Prinzip begründet.

“Wir beseitigen das Wirrwarr”, sagt Beerfeltz über Reformen, neue Ansätze und Machtverhältnisse in der deutschen Entwicklungshilfe. »Good Governance« sei nicht mehr das Ergebnis, sondern die Voraussetzung für Hilfe. Im Zitat: “Wir wollen Gegen-Eliten aufbauen. Selbst dort, wo es Demokratien gibt, wechseln sich oft ein paar mächtige Familien an der Machtspitze ab. Wenn man Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und schließlich auch Investitionssicherheit will, braucht man Gegen-Eliten. Journalistenausbildung, Talentsuche und Managementförderung ist für uns auch deshalb ein wesentlicher Punkt.” Das klingt wie eine handfeste Revolution in der deutschen Außenpolitik, wenn ich daran denke, wie in Birma bislang die regimenahen Institutionen und NGOs (etwa Myanmar Egress) hofiert wurden. Wird sich das nun ändern?

Und Beerfeltz spart nicht mit Kritik an den bisherigen Motiven: “Die Kollegen aus wichtigen anderen Bundesressorts, die bereit sind, sich mit viel Herz auch für eigene Projekte in unseren Partnerländern zu engagieren, sollten uns das wenigstens erklären: Ist es Hilfsbereitschaft oder Reiselust, was sie dazu bewegt?” Entwicklungszusammenarbeit aus Reiselust ist ein interessanter Aspekt, der mir noch gar nicht eingefallen ist.

Neu seien neben gesteigerter Effizienz (im Sinne der UN Millienniumsziele) auch eine verbesserte Qualitätskontrolle. Ein unabhängiges Institut zur Evaluierung solle noch gegründet werden. Die deutschen Geldgeber wollten dabei mehr Kontrolle im Umgang mit anderen Regierungen, und zwar per Scheckheft: “Wer sich fehlverhält, bekommt Geld weggenommen, andere werden belohnt.”

Und dann gab es da noch eine Gehaltsabsenkung für die Vorstände der GIZ um “lächerliche” 100.000 Euro im Jahr. Das ist in manchen Ländern immerhin das komplette Jahresbudget für mehrere NGOs. Mit diesem Schritt solle vor allem verhindert werden, dass Posten politisch besetzt würden. Mich erinnert es ein wenig an internationale Konferenzen zur Bekämpfung des Hungers, wo allein schon das verschwenderische Buffett einen entscheidenden Aspekt des Problems zu symolisieren scheint.

Das Echo auf die Reform und den konzeptionellen Sinneswandel scheint positiv zu sein: Das FORUM MENSCHENRECHTE etwa begrüßt das neue Menschenrechtskonzept. Es klingt in der Tat vielversprechend, und sicherlich ist es nicht falsch, diese Versprechen vernehmlich zur Kenntnis zu nehmen, um später dann ihre Einlösung umso besser einfordern zu können. Die Umsetzung steht schließlich noch aus. Man darf gespann sein.

Danke ans Asienhaus für das Thema und die Links!

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Vorschlag für ein Dementi

Immer noch gibt es keine Klarheit darüber, inwieweit deutsche Firmen in Birma tätig sind, und dies nicht nur auf eine Weise, von der die Bevölkerung so überhaupt nichts hat, sondern auch ganz direkt das Militär unterstützend. Vor dem Hintergrund der Befürchtung, die birmanischen Generäle (ob nun direkt als Junta oder über ihre Stellvertreter, die sie ganz sicher vorsichtshalber im Fadenkreuz behalten) könnten in ein paar Jahren Nuklearwaffen oder zumindest “Schmutzige Bomben” bauen, liest man nun wieder von mysteriösen deutschen Projekten, wie etwa hier oder hier berichtet.

Ein offizielles Dementi wäre jetzt sicher nicht ungeschickt und könnte sich etwa wie ein Beitrag von Radio Eriwan anhören:

Erstens gibt es in Birma überhaupt keine deutschen Investitionen und zweitens haben diejenigen, die dort sind, schon gar nichts mit Rüstungshilfen zu tun.

Also alles Unfug. Und wenn nun doch etwas daran sein sollte, so handelt es sich selbstredend nur um Entwicklungshilfe. Man will schließlich der dortigen Wirtschaft auf die Beine helfen, das ist man doch seinen Idealen schuldig.

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Libyen ja, Birma nein. Warum eigentlich?

Die Diskussion geht weiter, warum die deutsche Regierung im Umgang mit Regimen so verschiedene Maßstäbe anlegt. Mich interessiert dieser Aspekt jedoch nicht so sehr von der Seite Deutschlands, sondern von derjenigen der betroffenen Bevölkerungen, im vorliegenden Fall derjenigen in Birma (alias Burma oder Myanmar, oder was noch demnächst an Neusprech auf uns zukommen mag).

Es scheint in der Tat so zu sein, dass hier eine erstaunliche Nachsicht mit den Diktatoren in Naypyidaw (zuvor ansässig in Rangun/Yangon), ja fast schon Sympathie aufscheint. Die Menschenrechtsverletzungen werden zwar keineswegs gebilligt, die ökonomische Misere im Land ist ganz klar eine Folge der Ausbeutung durch das Regime, aber dennoch, so entsteht der Eindruck, solle man, der deutschen Position zufolge, doch bitte nicht ganz so hart mit ihnen ins Gericht gehen. Landminen, Kindersoldaten, Vergewaltigung als Waffe im Kampf gegen ethnische Gruppen, Pressezensur, Folter, jahrzehntelange Haftstrafen für Regimekritiker, Ausbeutung eines ganzen Landes zugunsten einer relativ kleinen Elite – wo den meisten Menschen nur noch die Fassungslosigkeit angesichts der Grausamkeit dieses Regimes bleibt, da haben andere offenbar die Fertigkeit entwickelt, in jeder Blutlache ein goldenes Haar zu finden, und sei es noch so klein. Im neuen Parlament säßen, so heißt es etwa, nun auch ein paar Prozent Abgeordnete, die eigentlich Änderungen anstreben – auch wenn sie nicht können und obgleich der Anteil der Frauen lediglich 3% beträgt, ohne Anteil an Ministerposten. Man hört viel von der Kraft des Dialogs und einer Abkehr von einer Poltik dogmatischer Positionen, zu der sich Deutschland als verbissener (Ex-)Exportweltmeister aber sicher nie so ganz hatte durchringen können.

Wer sich länger mit dem Thema beschäftigt, der fragt sich allerdings, wie hier eigentlich Dialog verstanden wird. Wie wir alle wissen, ist Dialog nicht einfach ein gepflegtes Beisammensein auf gehobenem Niveau, wo man sich in gewählten Worten zu verstehen gibt, dass man verschiedene Ansichten vertritt. Dialog, die Vertiefung von Kontakten, bilaterales Engagement, und schnell ist man dann bei Investitionen, ohne eigentlich mit seinen Unverbindlichkeiten irgendetwas bewirkt zu haben. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin ein Verfechter von Dialog, von sinnvollem Dialog. Dialog verdient jedoch nur dann sein positives Image, wenn die Möglichkeit seines Scheiterns zugelassen wird. Das heißt, es muss irgendwo eine vorab definierte Grenze geben, markiert durch Kriterien und begrenzt durch einen zeitlichen Rahmen, jenseits derer der Dialog als gescheitert betrachtet werden muss. Ein Dialog, der als ewiger Aufschub oder als Vorwand für Untätigkeit missbraucht werden kann, ist nicht besser, vielleicht aber sogar gefährlicher als Untätigkeit. Und: Als Dialog kann nicht alles gelten, was man so gemeinsam an Zeitvertreib unternimmt. Die Richtung ist durchaus nicht irrelevant.

Wie sieht nun Dialog konkret im Verständnis der Bundesregierung aus? Eine mögliche, wenn auch nicht sehr zufrieden stellende Anwort, findet sich in einem Artikel der Exilzeitung Mizzima mit dem sprechenden Titel: “Germany offers Burmese diplomats training and football tickets”. Dort ist davon die Rede, dass Diplomaten der Militärjunta zu den Redaktionen der Deutschen Welle und der Zeit gebracht wurden, was sich vielleicht noch als Erziehung im Sinne der Medienfreiheit auslegen lässt – natürlich stark abhängig vom Inhalt der Gespräche. Ein wenig schwieriger wird es bei Besuchen in Hamburg bei Airbus. Und schließlich: Lässt sich Demokratieverständnis und Achtung von Menschenrechten durch Besuche von Fußballspielen stärken? Kann man davon ausgehen, dass die Diplomaten nach dem Abpfiff ihre Handys hervorholten, um, tief gerührt von der eben erlebten Unterstützung der Mannschaft durch ihre Fans, die Freilassung der über 2000 politischen Gefangenen aus heimischen Kerkern in Gang zu setzen? Handelte es sich vielleicht um einen geschickten psychologischen Mechanismus, der durch das Zusammenwirken von Airbus und Fußball ausgelöst werden und dazu führen sollte, dass die Granatenangriffe gegen Dörfer in Ostbirma vermindert würden? Dem ironischen Ton ist wohl nicht schwer zu entnehmen, dass ich da beim besten Willen keinen Zusammenhang feststellen kann. Den Gastgebern ist, um es einmal sehr freundlich zu sagen, zumindest ein gutes Maß an Naivität vorzuwerfen.

Der Vorwurf der Heuchelei wird ganz konkret in dem Kommentar “UN Resolution on Libya Exposes German Hypocrisy on Burma” ausgesprochen, begründet mit der (hier auf Libyen und Birma beschränkten) Beobachtung, dass sich Deutschland nur dort – dann aber durchaus sehr sichtbar – gegen Diktaturen engagiere, wo ein abweichendes Vorgehen hinter den Kulissen aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht möglich sei. Man erinnert sich bei dem Stichwort “Libyen” an die gleichnamige Affaire, in der erst die Medienöffentlichkeit zum Eingreifen von Politik und Staatsanwaltschaft geführt hatte. Es wäre interessant, welche Argumente gegen diesen Vorwurf vorgebracht werden und womit dieses so konträre Vorgehen in den Fällen Libyen und Birma begründet wird, das sich in der Tat nur in einem wesentlichen Punkt zu unterscheiden scheint: Die Augen der Welt sind auf Libyen gerichtet, während die verstreuten und vagen Informationen aus Birma zumeist erst die Interpretationsmaschinerie der Junta zu durchlaufen scheinen, insofern sie nicht von Vertretern der Bevölkerung kommen. Nicht selten, jedoch, scheint sich die Bevölkerung von vornherein unterhalb des Radars der Diplomatie zu befinden. Vielleicht schon deshalb, weil sie sich nicht so gewählt auszudrücken vermag und in ihren Dialogen sehr schnell zur Sache kommt – was nicht verwundert, wenn die eigenen Familien bedroht sind.

Kürzlich habe ich von einem deutschen Diplomaten erfahren, dass seines Wissens in Birma keine deutschen Firmen tätig seien (abgesehen von Logistik). Auf meine Frage, warum denn dann die Regierung den doch sehr ernsthaften Vorwürfen nicht entgegen trete, erfuhr ich, dass dies nur zu “Verwirrung” führen würde. Es bleibt also zu hoffen, dass die birmanischen Diplomaten ihr Verständnis von Transparenz und Basisdemokratie in anderen Ländern lernen, und nicht auf deutschen Lehrgängen.

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Ein kolonialistisches Verhältnis zu Demokratie in Birma?

Um Demokratie und Stabilität in einer Diktatur zu erreichen, darf man sich nicht nur an die betreffende Regierung halten und mit deren gutem Willen rechnen. Doch auch demokratisch gewählte Regierungen scheinen Probleme zu haben, die fremde Zivilgesellschaft als Partner zu begreifen. Das Streben nach “Recht und Ordnung” räumt zu oft der Ordnung einen hohen Stellenwert ein, und dies im Glauben, dass ein autoritärer Staat zumindest Sicherheit und Wohlstand gewährleiste.

Dass dem nicht so ist, zeigt etwa das Beispiel Birmas, wo sich Wohlstand und Entwicklung auf eine sehr kleine und zudem  u.a. ethnisch bestimmte Gruppe beschränken.

Mir scheint, dass in Deutschland –  vor allem in politischen, institutionellen und gesellschaftlichen Führungkreisen – zudem oft ein gewisses Unbehagen mit fremden Kulturen zu finden ist, bei denen eine politische Betätigung sehr viel persönlicher und emotionaler auftritt, weniger in regulierten, institutionalisierten Formen, und wo sich dies Engagement in anderen Riten ausdrückt und andere Symbole verwendet, als sie in Deutschland geläufig sind (und daher schon gar nicht mehr als kulturelle Eigenheit wahrgenommen werden).

Es darf daher nicht überraschen, wenn sich die Oppositionsbewegung Birmas kritisch zu Wort meldet: Birmas Oppositionschefin fordert mehr deutsches Engagement und “Deutschland könnte mehr für Birma tun”. Sicher, auch die Opposition muss sich Kritik gefallen lassen, aber das gehört  zu einer lebendigen Demokratie, die nicht nur in Vorstandsetagen und Luxushotels stattfindet, sondern sich dort bildet, wo sie am dringendsten benötigt wird und wo es zunächst einmal um das Überleben der Institutionen und ihrer Mitglieder geht.

Der Verdacht hängt immer noch in der Luft, dass wirtschaftliche Interessen den Ausschlag für die Position der deutschen Regierung geben, die nicht unbedingt dazu geeignet sind, Demokratie und die Einhaltung von Menschenrechten zu fördern. Von zahlreichen Investitionen und Kollaborationen mit der Junta wurde schon im Jahr 1996 berichtet. Das Asienhaus schreibt 2004 vom Außenhandel zwischen Burma und Deutschland im Steigflug – wobei sich der daraus folgende Höhenflug sicher nur auf diejenigen Teile der birmanischen Bevölkerung beschränkt, die das Regime am neuen Reichtum teilhaben lässt. Weitere Einzelheiten sind in meinem älteren Beitrag Ein kritischer Blick auf Deutschland und sein Verhältnis zu einer Militärdiktatur zu finden, wo auch Pro Asyl zu Wort kommt.

Ich sehe also zwei Gründe ausschlaggebend für dieses problematische Verhältnis:

  1. Zu einem großen Teil geht es einfach um wirtschaftliche Interessen und eine daraus folgende Vernachlässigung “idealistischer” Werte. Darin steckt auch die Neigung zu einer sehr “kolonialistischen” Einstellung, nach der man auf die Bevölkerung der sogenannten (und so behandelten) “Dritten Welt” mit einer merklichen Geringschätzung hinab blickt, indem man bei ihnen sehr viel geringere Wertmaßstäbe anlegt als bei Landsleuten, zudem mit der Überzeugung, man wisse besser als sie, was gut für sie sei. Diese sehr massive wirtschaftliche und politische Einmischung geht oft mit einer zynisch anmutenden Forderung nach Nichteinmischung einher, was universelle Menschenrechte betrifft.
  2. Daneben trifft man viele Beteiligte, die eigentlich an einer Verbesserung der Lage interessiert sind, die sich aber ihre “Expertenmeinung” bereits als Reisende oder Expats in Birma bilden. Ich würde mir diesen Standpunkt keinesfalls anmaßen und halte es für unglaubhaft, lächerlich oder sogar gefährlich, wenn Ausländer nach kurzer Zeit und mit der Begründung, bereits mehrfach im Land gewesen zu sein und mit örtlichen Partnern zusammenzuarbeiten, behaupten, mit Sicherheit den richtigen Weg weisen zu können. Mit verlässlicher Regelmäßigkeit lässt sich feststellen, dass nicht einmal Birmanen von allen wichtigen Vorgängen in ihrem eigenen Land wissen, was angesichts der unterdrückten Presse und einer Politik der Apartheid nicht verwunderlich ist. Oft lässt sich zudem feststellen, dass sich viele ausländische Experten von der Art der Selbstinszenierung birmanischer Exilaktivisten abgestoßen fühlen, so dass sich ihre Behandlung dieser Thematik dann oft wie eine persönliche Abrechnung ausnimmt.

Möglicherweise lässt sich der Auffassung von Demokratie und der Umgang mit Zivilgesellschaft in anderen Ländern darauf zurückführen, wie man dazu im eigenen Land steht. Deutschlands politischer Mythos lässt sich vielleicht auf den Begriff “Exportwirtschaft” reduzieren. Es bräuchte sicher eingehendere Forschungen, ob dahinter eine moderne Form des Kolonialismus, zumindest aber eine deutsche Variante von Said’s Orientalismus steckt. Mich würde es nicht überraschen.

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Deutsche Regierung unterstützt Junta

Wie die burmesische Exilzeitung Mizzima heute mitteilt, lehnt es die deutsche Regierung ab, die burmesische Militärjunta für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung zu ziehen. Die Begründung klingt, wie so oft, zunächst wie der weise Ratschlag zu einer besonnenen Kooperation – was allerdings angesichts des schon länger anhaltenden Laissez-faire aus Berlin verdächtig bekannt vorkommt und der Verzögerungstaktik des Regimes ganz auffällig entgegen kommt.

Die Frage stellt sich also, ob die zum deutschen Mythos erhobene heilige Kuh Exportwirtschaft wieder einmal das eigentliche Argument liefert. Und tatsächlich bestätigt der Artikel den Verdacht: Die Firma Deckel Maho Gildemeister (DMG) soll Experten und Teile zur Herstellung von Raketenteilen geliefert haben, die Firma Trumpf ein Laserschneidegerät.

Sehen so die ausländischen Investitionen und das berühmt-berüchtigte “Engagement” aus, die die Verbrechen der burmesischen Armee gegen die Karen im Osten des Landes, die Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen und die Selbstbereicherung des Regimes beenden sollen?

Das darf wohl bezweifelt werden.

Wenn ich dazu lese, dass die in Rangun ansässige deutsche Diplomatie dabei assistiert, dann fällt mir der Bericht der Historikerkommission über die Verwicklung des Auswärtigen Amtes bei der Deckung von Naziverbrechen ein, die sogar noch lange Zeit in der Bundesrepublik anhielten, und ich denke mir, dass in ein paar Jahrzehnten ein neuer Bericht fällig sein wird darüber, wie die deutsche Außenpolitik Wirtschaftsunternehmen profitieren ließ, indem sie Regime in Schutz nahm.

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