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Espresso

Intelligente Dialogpartner, nützliche Idioten oder skrupellose Geschäftemacher?

Das Engagement deutscher Rüstungskonzerne in Staaten mit schlechtem Ruf gibt schon fast keine Schlagzeilen mehr her. Über frühere Investitionen in die birmanische Militärdiktatur kann man etwa hier nachlesen.

Foto: Wikipedia

Wie der birmanische Exil-Sender Democratic Voice of Burma nun berichtet, scheint momentan die deutsche Waffenfirma Fritz Werner in Birma tätig zu sein – zwar nicht offen für die Rüstung, aber von Häfen und Flughäfen ist die Rede. Als Quelle dient eine regimenahe Zeitung, der es möglicherweise darum geht, mit dieser Darstellung eine Normalisierung der Beziehungen mit Europa zu belegen, wofür die deutsche Rüstungsindustrie als unschlagbarer Beleg zu dienen hätte. Dies käme dem Regime, das erst in den letzten Monaten einen Teil der uniformierten Machthaber gegen gleichgeschaltete Zivilisten (darunter ehemalige Armeeangehörige) ausgetauscht hat, zweifellos sehr entgegen.

Man darf nun mit Recht erstaunt sein, wenn angesichts wiederholter Meldungen wie dieser die deutsche Diplomatie jede Beteiligung oder ein Wissen von den Vorgängen dementiert.

"Ich glaube, es ist völlig durchgerostet!"

Handelt es sich also um Falschmeldungen, oder ist die deutsche Botschaft in Rangun fortwährend getäuscht worden? Oder wird da doch etwas gedeckt, was man beim besten Willen nicht als ethisch einwandfrei bezeichnen kann?

Die Exilzeitung The Irrawaddy hat auf die deutsche Außenpolitik eine deftige Titelzeile gemünzt: Intelligent Dialogue Partners or Useful Idiots? Dem Leser bleibt wohl nichts anderes übrig, als die Antwort aus dem vornehmen Schweigen des Auswärtigen Amtes heraus zu interpretieren. Ein sehr ungutes Gefühl bleibt in jedem Fall bestehen.

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Vorschlag für ein Dementi

Immer noch gibt es keine Klarheit darüber, inwieweit deutsche Firmen in Birma tätig sind, und dies nicht nur auf eine Weise, von der die Bevölkerung so überhaupt nichts hat, sondern auch ganz direkt das Militär unterstützend. Vor dem Hintergrund der Befürchtung, die birmanischen Generäle (ob nun direkt als Junta oder über ihre Stellvertreter, die sie ganz sicher vorsichtshalber im Fadenkreuz behalten) könnten in ein paar Jahren Nuklearwaffen oder zumindest “Schmutzige Bomben” bauen, liest man nun wieder von mysteriösen deutschen Projekten, wie etwa hier oder hier berichtet.

Ein offizielles Dementi wäre jetzt sicher nicht ungeschickt und könnte sich etwa wie ein Beitrag von Radio Eriwan anhören:

Erstens gibt es in Birma überhaupt keine deutschen Investitionen und zweitens haben diejenigen, die dort sind, schon gar nichts mit Rüstungshilfen zu tun.

Also alles Unfug. Und wenn nun doch etwas daran sein sollte, so handelt es sich selbstredend nur um Entwicklungshilfe. Man will schließlich der dortigen Wirtschaft auf die Beine helfen, das ist man doch seinen Idealen schuldig.

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Libyen ja, Birma nein. Warum eigentlich?

Die Diskussion geht weiter, warum die deutsche Regierung im Umgang mit Regimen so verschiedene Maßstäbe anlegt. Mich interessiert dieser Aspekt jedoch nicht so sehr von der Seite Deutschlands, sondern von derjenigen der betroffenen Bevölkerungen, im vorliegenden Fall derjenigen in Birma (alias Burma oder Myanmar, oder was noch demnächst an Neusprech auf uns zukommen mag).

Es scheint in der Tat so zu sein, dass hier eine erstaunliche Nachsicht mit den Diktatoren in Naypyidaw (zuvor ansässig in Rangun/Yangon), ja fast schon Sympathie aufscheint. Die Menschenrechtsverletzungen werden zwar keineswegs gebilligt, die ökonomische Misere im Land ist ganz klar eine Folge der Ausbeutung durch das Regime, aber dennoch, so entsteht der Eindruck, solle man, der deutschen Position zufolge, doch bitte nicht ganz so hart mit ihnen ins Gericht gehen. Landminen, Kindersoldaten, Vergewaltigung als Waffe im Kampf gegen ethnische Gruppen, Pressezensur, Folter, jahrzehntelange Haftstrafen für Regimekritiker, Ausbeutung eines ganzen Landes zugunsten einer relativ kleinen Elite – wo den meisten Menschen nur noch die Fassungslosigkeit angesichts der Grausamkeit dieses Regimes bleibt, da haben andere offenbar die Fertigkeit entwickelt, in jeder Blutlache ein goldenes Haar zu finden, und sei es noch so klein. Im neuen Parlament säßen, so heißt es etwa, nun auch ein paar Prozent Abgeordnete, die eigentlich Änderungen anstreben – auch wenn sie nicht können und obgleich der Anteil der Frauen lediglich 3% beträgt, ohne Anteil an Ministerposten. Man hört viel von der Kraft des Dialogs und einer Abkehr von einer Poltik dogmatischer Positionen, zu der sich Deutschland als verbissener (Ex-)Exportweltmeister aber sicher nie so ganz hatte durchringen können.

Wer sich länger mit dem Thema beschäftigt, der fragt sich allerdings, wie hier eigentlich Dialog verstanden wird. Wie wir alle wissen, ist Dialog nicht einfach ein gepflegtes Beisammensein auf gehobenem Niveau, wo man sich in gewählten Worten zu verstehen gibt, dass man verschiedene Ansichten vertritt. Dialog, die Vertiefung von Kontakten, bilaterales Engagement, und schnell ist man dann bei Investitionen, ohne eigentlich mit seinen Unverbindlichkeiten irgendetwas bewirkt zu haben. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin ein Verfechter von Dialog, von sinnvollem Dialog. Dialog verdient jedoch nur dann sein positives Image, wenn die Möglichkeit seines Scheiterns zugelassen wird. Das heißt, es muss irgendwo eine vorab definierte Grenze geben, markiert durch Kriterien und begrenzt durch einen zeitlichen Rahmen, jenseits derer der Dialog als gescheitert betrachtet werden muss. Ein Dialog, der als ewiger Aufschub oder als Vorwand für Untätigkeit missbraucht werden kann, ist nicht besser, vielleicht aber sogar gefährlicher als Untätigkeit. Und: Als Dialog kann nicht alles gelten, was man so gemeinsam an Zeitvertreib unternimmt. Die Richtung ist durchaus nicht irrelevant.

Wie sieht nun Dialog konkret im Verständnis der Bundesregierung aus? Eine mögliche, wenn auch nicht sehr zufrieden stellende Anwort, findet sich in einem Artikel der Exilzeitung Mizzima mit dem sprechenden Titel: “Germany offers Burmese diplomats training and football tickets”. Dort ist davon die Rede, dass Diplomaten der Militärjunta zu den Redaktionen der Deutschen Welle und der Zeit gebracht wurden, was sich vielleicht noch als Erziehung im Sinne der Medienfreiheit auslegen lässt – natürlich stark abhängig vom Inhalt der Gespräche. Ein wenig schwieriger wird es bei Besuchen in Hamburg bei Airbus. Und schließlich: Lässt sich Demokratieverständnis und Achtung von Menschenrechten durch Besuche von Fußballspielen stärken? Kann man davon ausgehen, dass die Diplomaten nach dem Abpfiff ihre Handys hervorholten, um, tief gerührt von der eben erlebten Unterstützung der Mannschaft durch ihre Fans, die Freilassung der über 2000 politischen Gefangenen aus heimischen Kerkern in Gang zu setzen? Handelte es sich vielleicht um einen geschickten psychologischen Mechanismus, der durch das Zusammenwirken von Airbus und Fußball ausgelöst werden und dazu führen sollte, dass die Granatenangriffe gegen Dörfer in Ostbirma vermindert würden? Dem ironischen Ton ist wohl nicht schwer zu entnehmen, dass ich da beim besten Willen keinen Zusammenhang feststellen kann. Den Gastgebern ist, um es einmal sehr freundlich zu sagen, zumindest ein gutes Maß an Naivität vorzuwerfen.

Der Vorwurf der Heuchelei wird ganz konkret in dem Kommentar “UN Resolution on Libya Exposes German Hypocrisy on Burma” ausgesprochen, begründet mit der (hier auf Libyen und Birma beschränkten) Beobachtung, dass sich Deutschland nur dort – dann aber durchaus sehr sichtbar – gegen Diktaturen engagiere, wo ein abweichendes Vorgehen hinter den Kulissen aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht möglich sei. Man erinnert sich bei dem Stichwort “Libyen” an die gleichnamige Affaire, in der erst die Medienöffentlichkeit zum Eingreifen von Politik und Staatsanwaltschaft geführt hatte. Es wäre interessant, welche Argumente gegen diesen Vorwurf vorgebracht werden und womit dieses so konträre Vorgehen in den Fällen Libyen und Birma begründet wird, das sich in der Tat nur in einem wesentlichen Punkt zu unterscheiden scheint: Die Augen der Welt sind auf Libyen gerichtet, während die verstreuten und vagen Informationen aus Birma zumeist erst die Interpretationsmaschinerie der Junta zu durchlaufen scheinen, insofern sie nicht von Vertretern der Bevölkerung kommen. Nicht selten, jedoch, scheint sich die Bevölkerung von vornherein unterhalb des Radars der Diplomatie zu befinden. Vielleicht schon deshalb, weil sie sich nicht so gewählt auszudrücken vermag und in ihren Dialogen sehr schnell zur Sache kommt – was nicht verwundert, wenn die eigenen Familien bedroht sind.

Kürzlich habe ich von einem deutschen Diplomaten erfahren, dass seines Wissens in Birma keine deutschen Firmen tätig seien (abgesehen von Logistik). Auf meine Frage, warum denn dann die Regierung den doch sehr ernsthaften Vorwürfen nicht entgegen trete, erfuhr ich, dass dies nur zu “Verwirrung” führen würde. Es bleibt also zu hoffen, dass die birmanischen Diplomaten ihr Verständnis von Transparenz und Basisdemokratie in anderen Ländern lernen, und nicht auf deutschen Lehrgängen.

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Deutsche Regierung unterstützt Junta

Wie die burmesische Exilzeitung Mizzima heute mitteilt, lehnt es die deutsche Regierung ab, die burmesische Militärjunta für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung zu ziehen. Die Begründung klingt, wie so oft, zunächst wie der weise Ratschlag zu einer besonnenen Kooperation – was allerdings angesichts des schon länger anhaltenden Laissez-faire aus Berlin verdächtig bekannt vorkommt und der Verzögerungstaktik des Regimes ganz auffällig entgegen kommt.

Die Frage stellt sich also, ob die zum deutschen Mythos erhobene heilige Kuh Exportwirtschaft wieder einmal das eigentliche Argument liefert. Und tatsächlich bestätigt der Artikel den Verdacht: Die Firma Deckel Maho Gildemeister (DMG) soll Experten und Teile zur Herstellung von Raketenteilen geliefert haben, die Firma Trumpf ein Laserschneidegerät.

Sehen so die ausländischen Investitionen und das berühmt-berüchtigte “Engagement” aus, die die Verbrechen der burmesischen Armee gegen die Karen im Osten des Landes, die Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen und die Selbstbereicherung des Regimes beenden sollen?

Das darf wohl bezweifelt werden.

Wenn ich dazu lese, dass die in Rangun ansässige deutsche Diplomatie dabei assistiert, dann fällt mir der Bericht der Historikerkommission über die Verwicklung des Auswärtigen Amtes bei der Deckung von Naziverbrechen ein, die sogar noch lange Zeit in der Bundesrepublik anhielten, und ich denke mir, dass in ein paar Jahrzehnten ein neuer Bericht fällig sein wird darüber, wie die deutsche Außenpolitik Wirtschaftsunternehmen profitieren ließ, indem sie Regime in Schutz nahm.

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501(c)(3) – Why not in Europe?

“United in diversity” is the motto of the European Union.

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In the European Union, considerable efforts have been made in terms of a unified economy, a monetary union and even consumer protection. It seems, however, that the EU has not managed to overcome being a mere representation of national governments. Simply look at the European Parliament’s limited power.

But I want to point out something different now. If you run a charity outside the U.S.A. you probably have more than once encountered the situation that you want to register your NGO on Internet, say, for eBay Giving Works or search sites with a charitable side effect, but the conditions require your charity to be based in the US with a 501(c) status.

Sure, eBay and others cannot be experts on all the world’s national non-profit legislations. Neither do they have the language skills to understand the evidence of charity status of each country.

This, I think to myself, is actually the prime example where we would need something like the European Union. Well, the EU is interested in administering their citizens and facilitating the access of European corporations to the global market. But where the heck is the EU’s support of their NGOs on the global scene?

It would be dead easy for the EU to provide an EU charity certification to go along with that of 501(c). Verification can be done on national level. Does it exist? At least I don’t know about it.

What is worse, the EU even lacks the will to enact a unified system among its member states. When a Czech charity, for instance, asks individuals in the UK for financial support, it cannot offer that donations are tax refundable. Fund-raising remains a deeply national matter and countries even have their national certification systems for transparency, their charity seals and the like. A transnational recognition does, however, work for marriage certificates, for driving licences and for academic titles. So why should it be impossible to implement an EU-wide charity status?

It seems, that systematic support of NGOs is not really a priority of EU policy. I just don’t hope that EU leaders perceive NGOs as their enemies.

In Vielfalt geeint, in Einfalt gefehlt.

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For a change, engage with the engaged

A quote worth being noted by many Western institutions and governments, not excluding the European Commission:

No government or local or external actor can claim to support genuine democratic change while disengaging from dissidents at best and quietly undermining them at worst.
It is, however, dissidents—monks, civilians, student activists, labor activists, ex-army men, ethnic resistance fighters and so on—who have risked life and limb to keep their uphill battle for real change going against all odds and pressurize the paranoid regime by their mere existence and their refusal to capitulate.
If dissidents didn’t matter why would the regime keep several thousands of these citizens locked up and push thousands more into permanent exile?
Building the capacity of Burma’s so-called civil society and the presence of humanitarian INGOs are valuable and to be welcomed, but neither is a substitute for a political struggle.

Read the full commentary/analysis here: Six Reasons to Welcome US Support for War Crimes Probe

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Blue monkeys, happy tigers and a white elephant

Burma has made it on the news agenda again.

No, it is not about the call by Human Rights Watch for the EU to support an inquiry into war crimes in Burma, nor the complaint of a Burmese pro-democracy party about intimidation by security authorities, and don’t even think about the Burmese refugee girls being almost gang-raped in India.

A journalist has told me recently in an interview (in one of the rare occasions where the journalist is the one being interviewed) that stories are either interesting or important, and that it is the journalists’ job to make important stories interesting.

So, let’s have a look then at what is interesting and maybe even considered important about Burma these days.

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