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Sonntag in Vikaspuri

Nach einer größtenteils durchwachten Nacht fühle ich mich eigentlich wenig imstande, selbst die Erinnerungen der letzten Tage zu sortieren. Vom vergangenen Regen ist  keine Spur mehr zu sehen. Es ist heiß (laut Internet 31 Grad, “Feels like 37°”) und während der Nacht dröhnen Deckenventilator und die Lüftung der Klimaanlage, deren Kühlung wir aus Energiespar- und Lärmgründen ausgeschaltet lassen. Frische Luft kommt trotzdem nicht ins Zimmer, dafür aber winzige Stechmücken, deren Gelächter über unsere wirkungslosen Sprays und Abwehrcremes ich mir gut vorstellen kann.

Ich sitze auf dem Balkon, ein paar Meter über dem Gehupe, hin und wieder streicht ein angenehmer Luftzug über meine Arme. Meine Kollegen sind unterwegs in Agra und beim Chefredakteur von Mizzima, Soe Myint, um dort bei der Erstellung einer Radiosendung zuzusehen. Heute Nachmittag werde ich den beiden Redakteuren von Matu Harold News helfen, ihnen eine simple Webpräsenz aufzubauen. Momentan verbreiten sie ihre Zeitung nur als kopierte Exemplare kostenlos an die Matu-Gemeinschaft in Delhi, und per PDF an die Abonnenten einer Newsgroup, was etwa 4000 Empfänger ausmacht, ein paar gedruckte Exemplare gehen ins westliche Ausland.

Allgemein beschränken sich Computerkenntnisse zumeist auf E-Mails und eventuell Internettelefonie. Es ist interessant, dass Online- sehr viel geläufiger sind als Offline-Technologien, obwohl sich erstere viel später entwickelt haben und auf letzteren basieren. Ganz simple Büroanwendungen werden oft nur unzureichend beherrscht. Gestern habe ich dem Team vom Chin Refgugee Committee einen Crash Course in Excel verpasst, wobei die Teilnehmer zum Glück sehr lernwillig waren und schnell selbst nachvollziehen konnten, was sie neu gelernt hatten.

Entwicklungshilfe heißt hier nicht, Brunnen zu bohren oder Sonnenkollektoren einzufliegen (vermutlich jedesmal aus heimischer Produktion – mit gewolltem positiven Nebeneffekt für die eigenen Firmen? Manchmal frage ich mich wirklich, ob Entwicklungshilfe mehr ökonomisch und strategisch oder ob sie wirklich humanitär motiviert ist). Die Situation ist völlig anders als in irgendwelchen sehr ländlichen, von “Zivilisation” ganz unberührten Regionen der Welt. Hier gibt es alle paar Straßen einen Computerladen. Die Computerisierung Indiens boomt. In den Statistiken fallen die Rikscha-Fahrer und andere Tagelöhner wohl gar nicht so sehr ins Gewicht. Es reicht, wenn 10 oder 20 Prozent der Bevölkerung mit geballter Leistung alle Schwachstellen verdecken.

Die Flüchtlinge hier jedoch leben in einer völlig anderen Welt, wo ihre Mitglieder einander viel näher sind. Eine praktische Ausbildung dieser Menschen kann ohne große Mühe punktuell weiter entwickelt werden, das Wissen wird mit Freunden und Bekannte geteilt, es bilden sich soziale Strukturen um Personen mit erweiterten Fähigkeiten, wie Interessengruppen und Initiativen. Herausragende Individuen werden dann irgendwann vom UNHCR in den Westen übersiedelt, wo sie zunächst wieder unterdurchschnittlich qualifiziert sind, aber zumindest materiell und rechtlich abgesichert sind. Hier in der Flüchtlingsgemeinschaft rücken andere in die Lücken nach. Manchmal sind es Leute, die einen Posten lediglich seines Ansehens willen erstreben und dazu ihre gesellschaftliche Position und wenige Fähigkeiten einbringen. Nicht alle sozialen Mechanismen in der Flüchtlingsgemeinschaft haben sich mit Blick auf Qualitätssteigerung entwickelt.

Insgesamt bin ich beeindruckt von dem, was sich aus einer eigenen Dynamik und unter Ausnutzung der örtlichen Gegebenheiten entwickelt. Gäbe es nicht die bewusste Benachteiligung der Flüchtlinge durch die hiesige Mehrheitsgesellschaft, dann wäre sicher auch keine westliche Hilfe nötig und die Flüchtlinge könnten hier leben, bis  sie einmal nach Burma zurück kehren können.

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the week that was

suddenly it’s friday and i haven’t written since monday. we have, however, been on the go quite a bit, visiting various groups around west delhi. i think the score with delhi is 3-2:

delhi:

-the rain got me via mini-floods the day i didn’t wear my rainboots

-that same day i slipped on the stairs at the BCD office and got myself some lovely bruises

-today was suddenly hot and my feet roasted in my rainboots, and my czech colleagues made fun of me all day

reena:

-i’ve mastered the back streets enough to know my way around and even say hi to the same locals i see every day

-i’ve not yet succumbed to delhi belly (knock wood)

but it’s not about me that i should be writing, rather the people i’ve met here. on tuesday we went to the mizzima news agency, one of whose founders is soe myint, who at one point in his ‘activist career’ hijacked a plane from thailand  to india, after having lived on the border as a member of the student army. he now runs mizzima, a burmese exile media agency, in new delhi. they do undercover reports with journalists inside burma, have a news website, and even do a weekly radio drama for soldiers in burma. our three czech journalists – honza, jaromir, and martin – are doing a mutual mentorship program at mizzima. they learn more about burma and how exile media works, and then share tips on their respective areas of reporting – tv, radio, and print/online.

the BCP team left the journalists at mizzima and went to a meeting with the ambassador at the czech embassy. the embassy used to be much bigger, but after the czech and slovak republics split, they basically cut the embassy in half. the ambassador recieved us and asked all about our program here in delhi, including both our microgrants (www.mikrogranty.cz) and the journalists’ mentorship. you may ask: what’s the connection between the czech republic and burma? why does BCP get funding from the czech ministry of foreign affairs? the czech republic has a program called “transitions” – the idea being that the CR went through the transition from totalitarianism to democracy and thus is able to help other countries do the same; burma is a priority country in this program. vaclav havel has also been a long supporter of the free burma movement, and was actually the one who nominated ASSK for the nobel peace prize she received.  we’re lucky to have the czech ambassador coming monday to open our media workshop at the press club of india.

the rest of the week has included visits to different groups that have received microgrants from BCP. these include several women’s unions that teach weaving and sewing so that women can earn a living, and also offer language classes for burmese children; two free medical clinics for refugees; two organizations printing news and literary magazines in ethnic languages, and a group selling burmese fast food as a means of making a living. having heard the stories of many refugees here, i understand why these projects are so important. burmese refugees may have to wait one or two years to get a refugee status determination interview, and while they are waiting they have no right to work, to get healthcare, or to security. while some refugees get jobs with local indian businesses, they are often exploited. it’s not safe for women to walk alone after dark, and some are widows that need to look after their children at home. so having the opportunity to work for a burmese ‘company’ (of course all in the informal economy) or to work from home is essential. To date so far in 2010, there have been 50 documented cases of violence against refugees, with many more going unreported as the police often do little when such cases are reported. one of the groups we visited provides emergency help to people who have been victims of violence, taking someone from an indian (not burmese) NGO with them to the police station to lodge a complaint, and providing funds for medical care at a hospital. the two medical clinics provide a tremendous service but of course lack funds for a sufficient amount of medicine and cannot be open every day of the week.

 all the people from these groups have been so grateful and extended truly heartfelt thanks for the funding they received, in particular those that received their first-ever grant from BCP, and were able to start up a project. it doesn’t really get any better than that.

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Ein Trauma aus dem Wartesaal

Ich sitze in einem Hubschrauber. Während ich schreibe höre ich dicht über mir das scharfe Schnappen der Rotoren in der Abendluft, gleichmäßig, beharrlich, wie um mich wach zu halten. So stelle ich ihn mir vor. Den Flug über die Grenze in der Nacht, in die Berge der Chin. Zurück in die Heimat derjenigen die seit fünf oder zehn Jahren nur in ihren Erinnerungen zurück kehren, in den Erzählungen der Neuankömmlinge. Und selbst hier träumen sie nur davon, weiter voran zu kommen, weg aus dieser Stadt, in der sich Armut mit einem ganz besonderen Ausgeliefertsein vereint.

Was ich mir bei all dem ausgedacht habe, ist nur der Flug im Hubschrauber. Selbst  der Rotor ist überraschend real. Er wirbelt laut und bedrohlich über meinem Kopf, einer der vielen Deckenventilatoren hier in unserer Pension, einem Stück Erste Welt nicht weit von den Slums.

Der Raum, stark erhellt vom Blitz.

Ich habe in meinem umzugsreichen Leben schon so manchen Ärger mit Vermietern erlebt und weiß, wie wichtig es ist, in seinen eigenen vier Wänden  Ruhe zu haben. Umso mehr empören mich diese zwei Fälle von aggressiv keifenden Vermieterinnen, ältere Inderinnen, die beide Tür an Tür mit dem vermieteten Raum wohnen und keinen Besuch für ihre Mieter wünschen. Mieter: Das ist eine junge Witwe, die, ganz wörtlich, sehr viel am eigenen Leib hat erleiden müssen, ich muss nicht berichten was. Sie lebt hier mit drei kleinen Kindern. Sie ist krank, das Gesicht schweißbedeckt. Ihr Raum: Vielleicht zwei mal drei Meter groß, völlig dunkel die Wände, vielleicht von Alter, Ruß oder dergleichen. Die Tür liegt ebenerdig zur schmutzigen Gasse hin. Momentan trennt diese vom Raum nur ein dünner Vorhang.

Die junge Frau wirkt apathisch, nickt auf Fragen, hält eines ihrer Kinder, während ein ganz kleines lustlos auf der Gasse hin und her läuft. Mir fällt auf, dass sie völlig anders als Burmesen nicht lächelt, ja kaum ihre Gesichtszüge bewegt. Hoffentlich wird sie das Lächeln wieder erlernen.

"... und mein Kopf fühlt sich heiß an."

Dann eine kleine Praxis, eine von zweien für burmesische Flüchtlinge,in der riesigen Stadt. Für Flüchtlinge heißt das, dass sie hier nicht tausende von Rupees bezahlen müssen und als Opfer eines Überfalls nicht abgewiesen werden. Hier wird nicht operiert, nur untersucht, Medikamente ausgegeben, Nachbehandlung nach Geburten durchgeführt. Die andere Praxis bietet mehr, bis hin zu Amputationen, aber ebenfalls nur ambulant. Beide behandeln die Flüchtlinge kostenlos. Zu dieser zweiten Praxis nun kommen  um die 15 bis 20 Patienten pro Tag und werden von einer Krankenschwester mit Hilfe einer jungen Übersetzerin versorgt. Die vielen fremdartigen Besucher sind natürlich auch der Vermieterin nicht entgangen, die, als sie uns westliche Besucher sieht, sogleich ihren Kopf zur Praxis hineinsteckt und die Miete von 3000 auf 3500 Rupees erhöht. Das ist besonders schmerzlich, da die Frauen, die sie betreiben, bereits ihr Geld für Medikamente verbraucht haben und auf die findige Idee gekommen ist, einen Laden zu eröffnen, in dem sie selbstgekochtes Essen verkaufen.

Aber wo es kein Recht gibt – und Indien ist für die Flüchtlinge hier ganz offenkundig kein Rechtsstaat – da herrscht das Recht des Stärkeren. Flüchtlinge, die hier mit Sack und Pack und leeren Taschen ankommen, zahlen von vorneherein höhere Preise, für Miete und auch anderswo.

Beim Chin Human Rights Committee erzählt man uns von den Fällen, die sie vertreten. Opfer sind in den meisten Fällen Frauen und junge Mädchen. Die Organisation beschäftigt zwei Frauen, die ihnen zuhören können und versuchen zu helfen, so weit es in der Macht von  Helfern steht, die selbst nur Flüchtlinge sind. Übergriffe, wie etwa dass indische Männer im Vorübergehen den Flüchtlingsfrauen an den Busen greifen, sind so geläufig, dass sie gar nicht erst berichtet oder einzeln erfasst werden. “Welche Kaste hat die indische Gesellschaft für Flüchtlinge vorgesehen?” frage ich mich oft.

Der Weg aus diesem erniedrigenden und entbehrungsreichen Leben führt durch das Zauberwort “Resettlement”: Umsiedlung in ein Drittland, wo es Geld gibt und Flüchtlinge wie menschenwürdig leben können. Resettlement ist für die Flüchtlinge wie ein kühner Traum, in gewisser Hinsicht  ein verheißungsvolles Jenseits. Es entstehen übersteigerte Erwartungen, die kaum erfüllt werden. Der Kulturschock und der Erwartungsdruck an die Verwandten, die es ins “Paradies” geschafft haben, sind enorm. Viele Flüchtlinge vereinsamen im Westen, kommen nicht mit der  regulierten Arbeits- und Nutzlosigkeit zurecht, einige drehen regelrecht durch oder verfallen dem Alkohol. Sie scheitern gewissermaßen, nachdem sie schon die Ziellinie durchlaufen haben.

Von den 7000 burmesischen Flüchtlingen in Delhi werden jedes Jahr nur rund 1% übersiedelt – eine unwahrscheinlich geringe Quote. Mich erinnert es an einen Lottogewinn. Die Zahl der Flüchtlinge steigt dabei rapide, bis zum Jahresende werden es um die 10000 sein. Manche warten nur ein Jahr, manche viele Jahre, und rein rechnerisch dürfte der Großteil der Flüchtlinge für immer warten. Resettlement ist ein magischer Hoffnungsschimmer, ein schmerzlich fernes Ziel, und oft dann eine kalte Dusche. Es ist schwer verständlich, dass diese Menschen, die so viel durchgemacht haben, nun noch enttäuscht werden können. Analphabeten, deren Qualifikation im Reisanbau und primitiver Haushaltsführung besteht, können nun nicht einfach als Landwirt anfangen, wenn sie nicht einmal wissen, wie man einen Linienbus benutzt oder dass Abschlagszahlungen für Strom und Wasser am Jahresende mit den tatsächlichen Kosten verrechnet werden, dass es also keinen Sinn hat, an ihnen zu sparen.

Ich muss sagen, dass mich diese geballte Ladung an Eindrücken aus einem bestürzend verlorenen Teil der Menschheit, der mitten in New Delhi im Incredible India zwischen all dem Lärm und Getöse, der reichen Kultur und den politischen Ambitionen still und schüchtern leidet, ganz extrem mitnimmt. Mir fällt ein, wie man so schön sagt: Es trifft immer die Falschen.

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Die Qual der Wahl in Burma

Was wird sich mit den Wahlen, die am 7. November in Burma abgehalten werden, ändern? Politisch nicht viel. Es handelt sich um keine demokratischen Wahlen. Die Sieger stehen bereits fest, die Partei der Junta, die USDF, kann sich als einzige die Anmeldegebühren für Kandidaten in allen Wahlbezirken leisten. Zudem hatte ihre Vorgängerorganisation, die USDA, bereits Bürgermeisterposten und dergleichen kontrolliert. Wer sich mit Marketing auskennt weiß, dass Infrastruktur einen immensen Faktor darstellt. Die Unterstützer der USDF bekommen günstige Kredite, und so wird es wohl nicht überraschen, wenn die völlig verarmte Landbevölkerung, die in Jahrzehnten Diktatur sehr passiv und fatalistisch geworden ist, dann einfach die Partei des Regimes unterstützt. Desweiteren gehören 25% der Sitze im Parlament ohnehin dem Militär. In den Gebieten, wo ethnische Armeen Waffenstillstandsabkommen mit dem Regime geschlossen haben und sich nun weigern, ihre lukrative Autonomie für eine schäbige Rolle als Grenzschutztruppe aufzugeben, werden überhaupt nicht erst Wahlen abgehalten werden. Sie wurden dort einfach abgesagt. Die politische Opposition, die von Rechts wegen eigentlich gar keine Opposition, sondern Regierung sein sollte, hat sich ins Exil gerettet oder befindet sich in Gefangenschaft. Eine freie Presse gibt es nicht.

Warum also wählen gehen, wenn man seine Stimme keiner Alternative geben kann, die wirklich eine Chance hat? Warum mit seiner Stimme  der eigentlichen Demokratie einen Bärendienst erweisen, da sie zu nichts mehr dient, als dem Regime als vorgeblicher Beweis, dass die neuen Verhältnisse den freien und emanzipierten Willen der Wahlberechtigten darstellen? Wäre es nicht sinnvoller, die Wahl völlig zu boykottieren, so dass das Regime zwar mit 100% belohnt wird – statt vielleicht 70 oder 80 % – wenn es dafür aber mit diesem Ergebnis völlig evident wird, dass es sich nicht um eine demokratische Wahl gehandelt haben kann?

Der Wurm sitzt bereits in der Verfassung, die vor zwei Jahren während der Nargis-Katastrophe “ungelesen” durch die Wahlurnen gejagt wurde. Wir stehen nun vor einer Wahl, in der es nicht viel zu entscheiden gibt. Einige Generäle haben bereits ihre Uniformen abgelegt und treten nun in Zivil auf. Ein paar ethnische Gruppen werden ihre Leute ins Parlament entsenden, was so neu nicht ist, da die verfassungsgebende Versammlung auch mit allerhand Vertretern verschiedenster Gruppierungen besetzt war. Es wird sicherlich veränderte Konstellationen geben. Die Wirtschaft wird vermutlich einen Schub erleben, von der die reichen Eliten in den zentralen Gebieten Burmas profitieren werden. Die Menschenrechtsverletzungen werden sicher nicht aufhören.

Heute habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass vielleicht sogar die regimekritische Presse eine Chance erhalten wird, in Burma ganz offiziell ihr Büro zu eröffnen. Die geheuchelten Wahlen hätten demnach den Effekt, dass das kommende zivile Regime sich gezwungen sehen wird, öffentlich gewisse Veränderungen durchzuführen.

Möglich wäre es. Ich bin mir allerdings völlig sicher, dass diese Konzessionen nur dort gemacht werden, wo sie öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt werden können. Was in den Gefängnissen, auf den Polizeistationen oder in den Gebieten der Minderheiten in unzugänglichen Gebieten geschieht, ist eine völlig andere Sache.

Zusammen mit der vagen Aussicht auf einen entstehenden Freiraum für eine vorsichtig-kritische Presse habe ich zugleich auch zwei sehr besorgniserregende Prognosen gehört:

Erstens könnten die das Regime unterstützenden Anreinerstaaten (die selbst höchst erfolgreich eine Politik der oberflächlichen Demokratie mit wirtschaftlicher Entwicklung verbinden) hunderttausende burmesischer Flüchtlinge in deren Heimat abschieben, und dies mit der Begründung, dass Burma nach den Wahlen doch nun ganz offensichtlich demokratisch sei und es keinen Grund mehr für eine Emigration gebe. Dazu könnten sich dann vielleicht sogar die Staaten der EU gesellen, indem sie verfolgten Burmesen pauschal das Recht auf Asyl verweigern.

Zweitens wird es wohl zu einem offenen Krieg der burmesischen Armee mit ethnischen Minderheitenarmeen kommen. Vorbereitungen dazu sind bereits im vollen Gange. Hier ist mit gewaltigen Flüchtlingsströmen zu rechnen, und dies in Länder hinein, die damit nicht umgehen können und zu denen die internationale Gemeinschaft kaum Zugang hat.

China und Malaysia werden mit kalkulierter Härte reagieren, Bangladesh völlig überfordert, Thailand wird panisch zwischen westlichen Forderungen und südostasiatischen Interessen hin und her springen. Indien, das Land, in dem Probleme  nicht gelöst, sondern gemanagt werden, wird die Flüchtlinge wohl in seinem riesigen Innern “verdauen”: Man kämpft um die Resourcen, und die Schwächsten schaffen es eben nicht.

Es sind trübe Aussichten. Was genau passieren wird, lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit voraussagen. Es wird mir schlecht bei dem Gedanken, dass Viele offenbar das Leiden der unsichtbaren Schwachen in Kauf nehmen, weil es ihnen selbst einmal nützen könnte.

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YMCA und DBA, ein verfolgter Parlamentarier, zwei Mönche und zwei verdeckte Journalisten

Das ist nun eine lange Überschrift, nach der mir der Atem nur noch zu einem sehr knappen Bericht reicht. Ich finde nur selten Zeit, mich mit dem Laptop irgendwohin zu setzen und zu schreiben. Die Luft ist schwül, die Hitze eigentlich erträglich und mit zeitweiligen leichten Luftzügen sogar ganz angenehm. Hin und wieder regnet es unvermittelt für eine Stunde. Die abendliche Luft ist voller fingergroßer Libellen.

Polio-Impfung im YMCA

Polio-Impfung im YMCA

Gestern waren wir zunächst beim YMCA in einer Schule für burmesische Flüchtlingskinder und dann, nach schwierigen Fußwegen an Zelten und Baracken und großen Pfützen entlang, über Kanäle mit weißlichem Abwasser hinweg und zwischen spielenden Kindern, Werkstätten unter freiem Himmel und in ihren Exkrementen und Müllbergen wühlenden Schweinen hindurch, bei DBA, Don Bosco Ashalayam. Dort geht es mehr um berufliche Ausbildung und Requalifizierung für Jugendliche und Erwachsene. Neben diversen Kursen wie Englisch und Computerkenntnissen und einfacher handwerklicher Ausbildung werden dort auch Berufe vermittelt. Das Team von DBA begleitet dann die angestellten Flüchtlinge für einige Zeit und klärt gegebenenfalls auftretende Probleme mit den Arbeitgebern.

Sowohl YMCA als auch DBA können ihre Dienste in der Regel nur registrierten Flüchtlingen anbieten. Um vom UNHCR anerkannt zu werden, müssen sich die Neuankömmlinge zunächst registrieren und warten dann eine bestimmte Zeit auf ihr “Bewerbungsgespräch”. Das dauert bei manchen Leuten ein halbes Jahr, bei anderen zwei Jahre. Es ist seltsam, dass etwa geflohene Akteure der Proteste von 2007, die als Saffranrevolution bekannt geworden sind, und verfolgte Journalisten oft zu denen gehören, die länger warten müssen. Nach der Anerkennung durch das UNHCR können die Flüchtlinge dann ihren legalen Aufenthalt bei den indischen Behörden beantragen. Dort müssen sie zunächst eine “Strafe” für die Zeit ihres Aufenthaltes vor der Anerkennung zahlen, da dieser als illegal gilt. Der UN-Flüchtlingsstatus scheint da nicht rückwirkend zu gelten. Der legale Aufenthalt muss immer wieder erneuert werden und kann, je nach Laune des Beamten, oft nur genau an dem Tag beantragt werden, an dem der vorherige ausläuft. Flüchtlinge die zu früh erscheinen, werden aufgefordert, später wieder zu kommen. Wenn sie später erscheinen, dann zahlen sie natürlich Strafe.

Uns wurde von mehreren Seiten berichtet, dass es Fälle gegeben habe, in denen die Zuteilung dieses Wohnsitzes mit “gewissen Zahlungen” beschleunigt worden sei, von 10.000 Rupees war die Rede. Es gäbe zwar eine Möglichkeit, sich über die Verantwortlichen zu beschweren, aber darauf angesprochen antworten die Beschuldigten  nur, dass sie als Strafe versetzt würden und ein Kollege käme, der dann die Akten noch einmal ganz von Anfang durchsehen müsste. So lange will natürlich niemand warten. Ich weiß nicht, inwieweit diese Anschuldigungen wahr sind, aber ich gehe davon aus, dass die Leute beim UNHCR diesen Verdachtsmomenten nachgehen und sich für die Flüchtlinge – ihre Schutzbefohlenen – stark machen.

Dr. Tint Swe, der aus den letzten demokratischen Wahlen Burmas im Jahr 1990 als Parlamentarier hervorgegangen ist und nun eine kostenlose Klinik für burmesische Flüchtlinge betreibt, hat uns von seiner Flucht erzählt. Der Verhaftung, die ihn beim Abendessen hätte ereilen sollen, ist er nur um Haaresbreite entkommen und konnte dann über die Grenze nach Indien fliehen. Stellvertretend wurde sein jüngerer Bruder für vier Jahre ins Gefängnis gesteckt. Sowohl seine Klinik als auch seine Aktivitäten als Dissident bieten nicht gerade eine Langzeitperspektive. Trotzdem setzt er unbeirrt seine tägliche Arbeit im Kleinen fort. Von Aung San Suu Kyi sagte er, sie habe ein bestimmtes Stadium der buddhistischen Erleuchtung erreicht, was ihr viel Kraft, Ruhe und Optimismus verleihe. Vielleicht trifft das auch auf ihn zu.

Burmesischer MönchDann besuchten wir auch eine Art Kloster, wo einige aktive Mönche der Saffranrevolution untergekommen sind. In Burma leben diese Mönche von Spenden, was natürlich in Delhi nicht gut funktioniert, da es hier nur wenige Buddhisten gibt. Arbeit finden sie vermutlich auch nicht so leicht. Zuhause verrichten sie keine Erwerbstätigkeiten.

Das waren unsere Unternehmungen am Montag. Jetzt hänge ich mit meinem Bericht schon einen Tag hinterher, und ich habe noch nicht einmal annähernd alles niedergeschrieben, was wir alles gehört haben.

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last to the post

 i’m not even sure i am meant to write this blog as so far things have conspired against me. for two days i could not get my laptop to connect to the wifi at our fabulous b&b. christoph saved me by finding a free software download to solve what was apparently a Vista problem (doh!). now i am sitting in the dark on the floor in the hallway, beside a rather spectacular horsehead lampshade (i am not making this up) that emits a tiny amount of light. the mosquitoes have honed in on my position, despite the layers of deet on my skin. problem being that while my room has electric sockets to power up my laptop, it has no wifi signal. downstairs in the common area the houseboy (sorry i cannot find a better word, that’s what he’s called) is already asleep so i can’t turn on the light to get power to a socket. hence why i’m sitting on the floor in the dark.

but the important thing is that i can finally write something! to rush through the beginning, we arrived safely late saturday night and spent sunday getting the lay of the land and then welcoming the three czech journalists who had followed us on different flights.

today was our first big day – started out with breakfast (roti aloo, delicious) and an interesting conversation with the wife of the owner of the b&b who explained to me the life coach concept of ‘management’. ‘man is a gem’ if he understands ‘ent’ – enlightenment, nature (living with not taking from), and transformation (being able to change with the times). good food for thought.

we started out with a meeting with our partner, burma centre delhi. we made some last-minute changes to our schedule and i had my second cup of masala tea for the day, then the journalists joined us for our first visit to a local organization that helps refugees, the YMCA. we visited a class of very young burmese refugee children (as well as one somali and one afghani refugee) who happily recited “a is for apple” for us, then received a visit from a doctor for an oral vaccination. the kids all jumped up with their mouths open ready to receive the drops. the facilities at the school are of course basic, but are livened up with colourful posters and brightly painted walls.

our next stop was the don bosco refugee training center, where refugees, be they officially recognized by the UNHCR or still ‘under consideration’ for refugee status (the process can take years) can come for english language and computer training. there’s also an income generation program, where refugee women and men make jewellery, do weaving, and sewing to produce products for sale in delhi, both retail in their own shops, and wholesale. for those with refugee status, the center also has a placement team to help refugees find work in factories and local businesses. health campaigns are also a big part of the center’s work, we saw dozens of posters explaining how to prevent malaria or what to do when one is a victim of sexual violence. the center employs both indians and burmese resident in delhi, all are dedicated and hardworking.

continuing the health theme, we then went to visit dr. tint swe, who is both a physician running a free medical clinic for burmese refugees in delhi, and an MP of the burmese government in exile. dr. swe left burma in 1990, narrowly avoiding arrest for his political activities thanks to the help of family and friends. after a difficult and often dangerous journey he made it to delhi and set up his clinic. he treats an average of about 70 patients every day the clinic is open. then of course he continues his work as an MP, pushing for change in burma. meeeting dr. swe was one of those moments where you realize this person exists on an entirely different plane that you can aspire to but will never reach. his optimism in the face of the depressing and at-present-unlikely-to-change situation in burma is inspiring.

just a few doors down from dr. swe we met a buddhist monk who participated in the saffron revolution in 2007 and was then forced to flee. he also had a harrowing story about escaping from burma. we talked about many things, including the upcoming elections in burma, and his biggest wish was that we say to the world that these elections are not fair and not free, and should not be recognized by any international governments. these elections are being boycotted by aung san suu kyi and the national league for democracy party, because in the party’s view, participating in the elections legitimizes the constitution that was basically passed under duress in a referendum held immediately following cyclone nargis.

the thorny issue of the elections also figured in our final meeting for the day, with two burmese journalists, one freelance and one working for the irrawady news agency, who also fled to new delhi after what they call the september uprising (saffron revolution). one has already been granted refugee status here, the other is still ‘under consideration’ after two years of waiting. she used to work as an undercover journalist in burma and shared stories about various ‘spy cameras’ and technologies used to make untraceable calls into and out of burma. in contrast to communist countries where the inhabitants often are not allowed to leave, burmese can get passports and travel abroad. but if they stay abroad and become involved in exile (political) activities, it is no longer safe for them to return. dr. swe, for example, was sentenced to 25 years in jail in abstentia. for these two journalists, the one with refugee status can no longer return to burma but the one without cannot. she lives here under a different name than the one on her passport, so that she can still come and go to burma when possible. after we peppered this couple with dozens of questions, they had one for us: what do you think we should do, vote or not vote, in the upcoming elections? a lively discussion followed among czechs, german, canadian, and burmese – but there was no clear answer.

i will end this, my first blog from delhi, on a sobering note before i go take my bedtime shot of slivovice to avoid delhi belly: a burmese blogger who blogged throughout the saffron revolution was caught and sentenced to 56 years in prison.

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Czech meets Burmese journalism: ready, steady, blog!

In a recent post I have explained the reasons why we decided to set up this mentorship program. Now it is time to tell you something about the planned activities.

Through an application procedure we selected three Czech journalists who will accompany us in India to learn about Burma, the work of Burmese exile media and the living conditions of Burmese refugees, and to share their experiences with their Burmese colleagues. Among the many highly qualified applicants, we chose three who represent TV, radio, and Internet media. All of them have professional experience of working and traveling in Asia.

These journalists would not be journalists if we wouldn’t expect from them some later output about the things they have seen during their trip. But you won’t have to wait until their return if you want to know about what is going on in India. We are excited to announce here that you will be able to follow their steps through Delhi from day to day – even though, I admit, there might be one or another day missing. Continue reading

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how to make ‘svačina’

a second group of burmese refugees arrived on august 17th, straight from a refugee camp in thailand. like the group that arrived in july, these new asylum seekers will spend 6 months in an integration centre in usti nad labem, while their applications are processed. during this time they will also receive czech lessons and try to adapt to their new home country.

this being september, around the world kids have started up at school again, and for the burmese children it’s no different. some of these kids, however, have lived their whole lives inside a refugee camp, and have no experience with formal education. likewise their parents aren’t necessarily aware of what is required for ‘back to school’. and so it was that sabe and i were at the integration center in usti, first to show this new group the documentary film that we showed to the previous arrivals, and also, perhaps more importantly, to show them how to make ‘svačina’ for school.

while showing the refugees how to make a sandwich, we taught such words as ‘rohlík’, ‘sýr’, and ‘šunka’. most were trying these foods for the first time. apples were a big hit. sabe made most of the sandwiches initially and then was slowly able to get the women up to try making one on their own. i thought our biggest achievement was at the end, when one lone man came up and made a sandwich. after we wrote down some of the czech food words for him on a piece of paper, he laughed and said “i’ll just serve my family bread!”.

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