Shangri-La? Nein. Delhi.

Indien. Nun habe ich also begonnen, auf Deutsch zu schreiben. Die Reise steht unmittelbar bevor und in der exponentiell zunehmenden Verwirrung inmitten akuter Reisevorbereitungen hat es mich zunächst einmal sprachlich nach Hause verschlagen. Morgen besteigen wir eine Maschine der Tyrolean Airways, was allein ich schon herrlich amüsant finde, befinden wir uns dann doch auf dem Weg von Prag nach Delhi, von der kleinen in die große Metropole. Mit Grüßen aus Tirol.

Gestern Abend habe ich mir beim Training noch einmal ordentlich das rechte Handgelenk verdrehen lassen, so dass ich zunächst dachte, ich könnte bei den anstehenden Besprechungen meinen Worten mit einem gipsgestützen Schlag auf den Tisch den nötigen Nachdruck verleihen. Fehlalarm. Ich kann sogar mit Rechts tippen. Schläge auf den Tisch werden mir hoffentlich erspart bleiben.

Abflug am Samstag. Die tschechischen Prager, wenn es sich nicht um Rentner oder andere Angehörige der sozialen Unterschicht handelt, haben also schon die erste Nacht des Wochenendes auf dem Land verbracht, in der chata, einer Art profanen Refugiums in Form einer mehr oder weniger kleinen Hütte, in die gewöhnlich mehr Geld und Liebe investiert wird als in die Stadtwohnung. Prag wird also leer sein. Leer die Straßen. Leer die Tram. Voll nur der Bus der Linie 119, der Reisende in einer Fahrt, was eine normale Straße nur an Achterbahnqualitäten herzugeben vermag, zum Flughafen bringt.

Völlig anders dann Delhi. Ich erinnere mich an die Ankunft letztes Jahr. Tief in der Nacht. Während der Pilot beim Ausrollen der Maschine in offenbaren Anflügen von Irrsinn noch dazu auffordert, bis zum Erlöschen des Zeichens angeschnallt zu bleiben, sind die indischen Reisenden schon fast mit dem Ausräumen der Gepäckfächer fertig. Draußen dann hinter einer Schutzreling ein Spalier von enthusiastischen Hotelchauffeuren.

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Delhi bei Tag ist ein immerwährendes Gewimmel, Prinzip gewordene Überfüllung, hausgemachte Hektik, alles muss ununterbrochen in Bewegung sein. So wie Wärme aus der Bewegung von Molekülen besteht, so besteht Delhi im Durcheinander von Menschen, Verkehrsmitteln und Geräuschen. Die Ächtung der Leere geht sogar so weit, dass kein Inder, nach dem Weg gefragt, eingestehen wird, dass er ihn nicht weiß. In Delhi nach dem Weg zu fragen ist die einfachste Weise, um die Stadt zu Fuß kennenzulernen.

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Die Taj Mahal erspare ich mir diesmal. Ein höchst beeindruckendes Gebäude von atemberaubender Schönheit, verpackt jedoch in eine schmierigen Schicht postkolonialen Kitsches und umgeben von einem klebrigen Netz ausgeklügelter Touristenfallen, deren Betreiber skurpellose Meister psychologischer Kriegsführung sind. Wenn ich Beispiele für  Größe suche, dann fallen mir ein: Das Meer. Die Berge. Und die Slums von Indien. Ich weiß nicht, was ich weniger vertrage: den bloßen Anblick der Slums, oder die lächelnde Selbstverständlichkeit, mir der sie hingenommen werden.

So viel zum Tag “Minus Zwei”. An die sprachliche Rückkehr habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Auf Tirol freue ich mich. Auf Delhi bin ich höchst gespannt.

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