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Indian Tea

Eine winzige Schule an einem riesigen Sumpf

In den engen Gassen von Vikaspuri wurden wir zu einer Schule geführt, wo morgens kleine Kinder unterrichtet werden, deren Eltern noch nicht vom UNHCR anerkannt worden sind. Nachmittags finden zudem Nähkurse an zwei Maschinen statt und dann später abends Englischkurse für Erwachsene. Diese Aktivitäten konnten mit unserem Projekt für relativ wenig Geld ins Leben gerufen werden.

Im Innern des Klassenzimmers.

Der Raum, in dem dies alles stattfindet, ist nur etwa 3 mal 3 m groß. Ich war nicht wenig erstaunt zu erfahren, dass abends durchaus mal 15 Erwachsene hier auf dem Boden kauern und nach der Arbeit ihre verbleibenden Energien mobilisieren, um Englisch zu lernen. Es ist nicht nur erstaunlich wegen der schieren Kleinheit des Raumes, sondern auch wegen der schlechten Luft. Vor dem Raum, der über ein paar Stufen direkt ins Freie führt, befindet sich ein kleiner Platz. Dieser Platz ist überschwemmt mit einer schlammigen und schaumigen Mischung aus allerhand Unrat, worunter meinem Geruchssinn zufolge ganz sicher auch Fäkalien sind. An der Straße verläuft eine Art Abwasserkanal entlang, in den dieser Platz wohl entwässert werden soll, der aber nach den Regenfällen natürlich umgekehrt Wasser frei setzt.

Vor der Tür sieht es sehr ungesund aus.

Diese Schule wird von einer Organisation der Falam Frauen betrieben. Falam sind eine Untergruppe der Chin, was nichts  mit China zu tun hat, sondern eine der ethnischen Makrogruppen in Burma darstellt. In Delhi leben vor allem Chin (geschätzte 10000), da sie daheim sehr von Armut und der Hungersnot betroffen sind und da deren Gebiete an Indien grenzen. Weil diese Untergruppen wie Falam, Hakha usw. alle verschiedene Sprachen sprechen, bleiben die Angehörigen zumeist unter sich. Für meinen Geschmack bleiben sie ein wenig zu viel unter sich. Mir macht es nichts aus, Freunde aus anderen Ländern zu haben und mich nur schwer verständigen zu können.

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Die Qual der Wahl in Burma

Was wird sich mit den Wahlen, die am 7. November in Burma abgehalten werden, ändern? Politisch nicht viel. Es handelt sich um keine demokratischen Wahlen. Die Sieger stehen bereits fest, die Partei der Junta, die USDF, kann sich als einzige die Anmeldegebühren für Kandidaten in allen Wahlbezirken leisten. Zudem hatte ihre Vorgängerorganisation, die USDA, bereits Bürgermeisterposten und dergleichen kontrolliert. Wer sich mit Marketing auskennt weiß, dass Infrastruktur einen immensen Faktor darstellt. Die Unterstützer der USDF bekommen günstige Kredite, und so wird es wohl nicht überraschen, wenn die völlig verarmte Landbevölkerung, die in Jahrzehnten Diktatur sehr passiv und fatalistisch geworden ist, dann einfach die Partei des Regimes unterstützt. Desweiteren gehören 25% der Sitze im Parlament ohnehin dem Militär. In den Gebieten, wo ethnische Armeen Waffenstillstandsabkommen mit dem Regime geschlossen haben und sich nun weigern, ihre lukrative Autonomie für eine schäbige Rolle als Grenzschutztruppe aufzugeben, werden überhaupt nicht erst Wahlen abgehalten werden. Sie wurden dort einfach abgesagt. Die politische Opposition, die von Rechts wegen eigentlich gar keine Opposition, sondern Regierung sein sollte, hat sich ins Exil gerettet oder befindet sich in Gefangenschaft. Eine freie Presse gibt es nicht.

Warum also wählen gehen, wenn man seine Stimme keiner Alternative geben kann, die wirklich eine Chance hat? Warum mit seiner Stimme  der eigentlichen Demokratie einen Bärendienst erweisen, da sie zu nichts mehr dient, als dem Regime als vorgeblicher Beweis, dass die neuen Verhältnisse den freien und emanzipierten Willen der Wahlberechtigten darstellen? Wäre es nicht sinnvoller, die Wahl völlig zu boykottieren, so dass das Regime zwar mit 100% belohnt wird – statt vielleicht 70 oder 80 % – wenn es dafür aber mit diesem Ergebnis völlig evident wird, dass es sich nicht um eine demokratische Wahl gehandelt haben kann?

Der Wurm sitzt bereits in der Verfassung, die vor zwei Jahren während der Nargis-Katastrophe “ungelesen” durch die Wahlurnen gejagt wurde. Wir stehen nun vor einer Wahl, in der es nicht viel zu entscheiden gibt. Einige Generäle haben bereits ihre Uniformen abgelegt und treten nun in Zivil auf. Ein paar ethnische Gruppen werden ihre Leute ins Parlament entsenden, was so neu nicht ist, da die verfassungsgebende Versammlung auch mit allerhand Vertretern verschiedenster Gruppierungen besetzt war. Es wird sicherlich veränderte Konstellationen geben. Die Wirtschaft wird vermutlich einen Schub erleben, von der die reichen Eliten in den zentralen Gebieten Burmas profitieren werden. Die Menschenrechtsverletzungen werden sicher nicht aufhören.

Heute habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass vielleicht sogar die regimekritische Presse eine Chance erhalten wird, in Burma ganz offiziell ihr Büro zu eröffnen. Die geheuchelten Wahlen hätten demnach den Effekt, dass das kommende zivile Regime sich gezwungen sehen wird, öffentlich gewisse Veränderungen durchzuführen.

Möglich wäre es. Ich bin mir allerdings völlig sicher, dass diese Konzessionen nur dort gemacht werden, wo sie öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt werden können. Was in den Gefängnissen, auf den Polizeistationen oder in den Gebieten der Minderheiten in unzugänglichen Gebieten geschieht, ist eine völlig andere Sache.

Zusammen mit der vagen Aussicht auf einen entstehenden Freiraum für eine vorsichtig-kritische Presse habe ich zugleich auch zwei sehr besorgniserregende Prognosen gehört:

Erstens könnten die das Regime unterstützenden Anreinerstaaten (die selbst höchst erfolgreich eine Politik der oberflächlichen Demokratie mit wirtschaftlicher Entwicklung verbinden) hunderttausende burmesischer Flüchtlinge in deren Heimat abschieben, und dies mit der Begründung, dass Burma nach den Wahlen doch nun ganz offensichtlich demokratisch sei und es keinen Grund mehr für eine Emigration gebe. Dazu könnten sich dann vielleicht sogar die Staaten der EU gesellen, indem sie verfolgten Burmesen pauschal das Recht auf Asyl verweigern.

Zweitens wird es wohl zu einem offenen Krieg der burmesischen Armee mit ethnischen Minderheitenarmeen kommen. Vorbereitungen dazu sind bereits im vollen Gange. Hier ist mit gewaltigen Flüchtlingsströmen zu rechnen, und dies in Länder hinein, die damit nicht umgehen können und zu denen die internationale Gemeinschaft kaum Zugang hat.

China und Malaysia werden mit kalkulierter Härte reagieren, Bangladesh völlig überfordert, Thailand wird panisch zwischen westlichen Forderungen und südostasiatischen Interessen hin und her springen. Indien, das Land, in dem Probleme  nicht gelöst, sondern gemanagt werden, wird die Flüchtlinge wohl in seinem riesigen Innern “verdauen”: Man kämpft um die Resourcen, und die Schwächsten schaffen es eben nicht.

Es sind trübe Aussichten. Was genau passieren wird, lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit voraussagen. Es wird mir schlecht bei dem Gedanken, dass Viele offenbar das Leiden der unsichtbaren Schwachen in Kauf nehmen, weil es ihnen selbst einmal nützen könnte.

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EIN PAAR WORTE ZUM STRASSENVERKEHR IN DELHI

Entschuldigung, dass ich schreie, aber dieses massive Sturmgehupe bei jedem Umspringen der Ampel auf Grün und ein todsicheres Dauerhupen hinter langsamen Rikschafahrern haben wirklich mein Gehör, ja vielleicht sogar meinen Geist  in Mitleidenschaft gezogen: Mir kommt es so vor als habe sich das markdurchdringende Gellen der Hupen so tief in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich es inzwischen selbst nachts und weit weg vom Verkehr wahrnehme.

Wenn es ginge, dann würde hier jeder Fahrer mit Sirene und Blaulicht durch die Straßen rasen.

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YMCA und DBA, ein verfolgter Parlamentarier, zwei Mönche und zwei verdeckte Journalisten

Das ist nun eine lange Überschrift, nach der mir der Atem nur noch zu einem sehr knappen Bericht reicht. Ich finde nur selten Zeit, mich mit dem Laptop irgendwohin zu setzen und zu schreiben. Die Luft ist schwül, die Hitze eigentlich erträglich und mit zeitweiligen leichten Luftzügen sogar ganz angenehm. Hin und wieder regnet es unvermittelt für eine Stunde. Die abendliche Luft ist voller fingergroßer Libellen.

Polio-Impfung im YMCA

Polio-Impfung im YMCA

Gestern waren wir zunächst beim YMCA in einer Schule für burmesische Flüchtlingskinder und dann, nach schwierigen Fußwegen an Zelten und Baracken und großen Pfützen entlang, über Kanäle mit weißlichem Abwasser hinweg und zwischen spielenden Kindern, Werkstätten unter freiem Himmel und in ihren Exkrementen und Müllbergen wühlenden Schweinen hindurch, bei DBA, Don Bosco Ashalayam. Dort geht es mehr um berufliche Ausbildung und Requalifizierung für Jugendliche und Erwachsene. Neben diversen Kursen wie Englisch und Computerkenntnissen und einfacher handwerklicher Ausbildung werden dort auch Berufe vermittelt. Das Team von DBA begleitet dann die angestellten Flüchtlinge für einige Zeit und klärt gegebenenfalls auftretende Probleme mit den Arbeitgebern.

Sowohl YMCA als auch DBA können ihre Dienste in der Regel nur registrierten Flüchtlingen anbieten. Um vom UNHCR anerkannt zu werden, müssen sich die Neuankömmlinge zunächst registrieren und warten dann eine bestimmte Zeit auf ihr “Bewerbungsgespräch”. Das dauert bei manchen Leuten ein halbes Jahr, bei anderen zwei Jahre. Es ist seltsam, dass etwa geflohene Akteure der Proteste von 2007, die als Saffranrevolution bekannt geworden sind, und verfolgte Journalisten oft zu denen gehören, die länger warten müssen. Nach der Anerkennung durch das UNHCR können die Flüchtlinge dann ihren legalen Aufenthalt bei den indischen Behörden beantragen. Dort müssen sie zunächst eine “Strafe” für die Zeit ihres Aufenthaltes vor der Anerkennung zahlen, da dieser als illegal gilt. Der UN-Flüchtlingsstatus scheint da nicht rückwirkend zu gelten. Der legale Aufenthalt muss immer wieder erneuert werden und kann, je nach Laune des Beamten, oft nur genau an dem Tag beantragt werden, an dem der vorherige ausläuft. Flüchtlinge die zu früh erscheinen, werden aufgefordert, später wieder zu kommen. Wenn sie später erscheinen, dann zahlen sie natürlich Strafe.

Uns wurde von mehreren Seiten berichtet, dass es Fälle gegeben habe, in denen die Zuteilung dieses Wohnsitzes mit “gewissen Zahlungen” beschleunigt worden sei, von 10.000 Rupees war die Rede. Es gäbe zwar eine Möglichkeit, sich über die Verantwortlichen zu beschweren, aber darauf angesprochen antworten die Beschuldigten  nur, dass sie als Strafe versetzt würden und ein Kollege käme, der dann die Akten noch einmal ganz von Anfang durchsehen müsste. So lange will natürlich niemand warten. Ich weiß nicht, inwieweit diese Anschuldigungen wahr sind, aber ich gehe davon aus, dass die Leute beim UNHCR diesen Verdachtsmomenten nachgehen und sich für die Flüchtlinge – ihre Schutzbefohlenen – stark machen.

Dr. Tint Swe, der aus den letzten demokratischen Wahlen Burmas im Jahr 1990 als Parlamentarier hervorgegangen ist und nun eine kostenlose Klinik für burmesische Flüchtlinge betreibt, hat uns von seiner Flucht erzählt. Der Verhaftung, die ihn beim Abendessen hätte ereilen sollen, ist er nur um Haaresbreite entkommen und konnte dann über die Grenze nach Indien fliehen. Stellvertretend wurde sein jüngerer Bruder für vier Jahre ins Gefängnis gesteckt. Sowohl seine Klinik als auch seine Aktivitäten als Dissident bieten nicht gerade eine Langzeitperspektive. Trotzdem setzt er unbeirrt seine tägliche Arbeit im Kleinen fort. Von Aung San Suu Kyi sagte er, sie habe ein bestimmtes Stadium der buddhistischen Erleuchtung erreicht, was ihr viel Kraft, Ruhe und Optimismus verleihe. Vielleicht trifft das auch auf ihn zu.

Burmesischer MönchDann besuchten wir auch eine Art Kloster, wo einige aktive Mönche der Saffranrevolution untergekommen sind. In Burma leben diese Mönche von Spenden, was natürlich in Delhi nicht gut funktioniert, da es hier nur wenige Buddhisten gibt. Arbeit finden sie vermutlich auch nicht so leicht. Zuhause verrichten sie keine Erwerbstätigkeiten.

Das waren unsere Unternehmungen am Montag. Jetzt hänge ich mit meinem Bericht schon einen Tag hinterher, und ich habe noch nicht einmal annähernd alles niedergeschrieben, was wir alles gehört haben.

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Sonntag. Regen. Die Gruppe ist komplett.

Auf den Fotos, die uns das Burmese Community Resource Centre in auf der Suche nach Spenden zur Verfügung gestellt hatte, sind etwas ungewohnt anmutende “Winter Sport Games” zu sehen. Bei dem Wort “Winter” denke ich automatisch an Schnee – in Delhi eine falsche Assoziation. Die sommerliche Variante heißt hier “Summer Indoor Games”, und dass dieses Sportfest nicht im Freien stattfindet ist nicht verwunderlich angesichts des üblichen Sommerwetters hier in Indien: Es ist heiß, und es ist nass.

Vikaspuri nach den Regenfällen im SeptemberDer eigentliche Monsun scheint inzwischen schon vorüber zu sein, es regnet nur zuweilen und in europäischen Mengen. Die Straßen sind allerdings vor allem für Fußgänger nur sehr schwer passierbar. Eine weitere Folge, die insbesondere für die ärmere Bevölkerung sehr unangenehm werden kann, ist ein verstärktes Auftreten des Denguefiebers. In den offiziellen Statistiken der Fälle dürften dabei  zahlreiche Flüchtlinge noch gar nicht enthalten sein, da sie durch die Maschen des staatlichen Verwaltungsapparates rutschen. Dies ist sicher eine gute Frage, die ich dem medizinischen Personal in den Einrichtungen für Burmesen stellen werde.

Unsere Pension hat sich bislang gut bewährt. Die Betreiber sind rührend um unser Wohl bemüht, und da stören einen auch nicht solche kleinen Irritationen wie der Schalter für den elektrischen Boiler, der sich zu meiner Beunruhigung griffbereit direkt in der Dusche befindet. Alles, was wir hier brauchen, haben wir in Gehentfernung: Von Supermärkten über Handwerker bis hin zu einigen der Viertel, wo die burmesischen1 Flüchtlinge leben.

Kinder in Delhi vor einem Süssigkeitengeschäft. Diese Läden sind sonst nur für Erwachsene.Bislang haben wir mit Burmesen nicht viel zu tun gehabt. Wir sahen eine Veranstaltung, offenbar etwas Wohltätiges in der Regie von Rotary und mehreren UN-Agenturen, zu der uns samt Journalisten allerdings der Zutritt verwehrt wurde. Während auf dem Gelände der Schule eine fröhliche musikalische Vorführung stattfand, standen draußen die sehr ärmlich gekleideten Straßenkinder Schlange an einem Süßigkeitenladen, wo kostenlos Reste  verteilt wurden. Dieser Kontrast gehört hier zum Alltag.

Abends dann ist auch der letzte der drei Journalisten eingetroffen, da er den Umweg über Kabul genommen hat, wo er die kürzlich stattgefundenen Wahlen beobachten konnte. Noch nicht so richtig demokratisch, lautet sein Urteil, aber immer noch besser als das, was in Burma vorbereitet wird.

Das war es für heute. Morgen endlich werden wir mit der eigentlichen Arbeit anfangen.


  1. oder “birmanischen”

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Delhi: B&B von der Größe eines Schlosses

Wohlbehalten eingetroffen, spät nachts. Delhi ist auffallend leer, es ist natürlich warm, schwül, bis gestern soll es stark geregnet haben. Hier und dort hängen Leute herum, einige Arbeiter schlafen in langen Reihen auf Liegen neben der Straße.  Ein Schwein steht auuf der Stadtautobahn. Verlassene Straßenläden. Hunde jagen das Auto.

Das Bed and Breakfast in Vikaspuri ist ein treppen- und zimmerreiches Gebäude, mit Zugängen über weitere Treppen und Balkons und Durchgängen zwischen den Zimmern.

Gute Nacht erstmal!

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Shangri-La? Nein. Delhi.

Indien. Nun habe ich also begonnen, auf Deutsch zu schreiben. Die Reise steht unmittelbar bevor und in der exponentiell zunehmenden Verwirrung inmitten akuter Reisevorbereitungen hat es mich zunächst einmal sprachlich nach Hause verschlagen. Morgen besteigen wir eine Maschine der Tyrolean Airways, was allein ich schon herrlich amüsant finde, befinden wir uns dann doch auf dem Weg von Prag nach Delhi, von der kleinen in die große Metropole. Mit Grüßen aus Tirol.

Gestern Abend habe ich mir beim Training noch einmal ordentlich das rechte Handgelenk verdrehen lassen, so dass ich zunächst dachte, ich könnte bei den anstehenden Besprechungen meinen Worten mit einem gipsgestützen Schlag auf den Tisch den nötigen Nachdruck verleihen. Fehlalarm. Ich kann sogar mit Rechts tippen. Schläge auf den Tisch werden mir hoffentlich erspart bleiben.

Abflug am Samstag. Die tschechischen Prager, wenn es sich nicht um Rentner oder andere Angehörige der sozialen Unterschicht handelt, haben also schon die erste Nacht des Wochenendes auf dem Land verbracht, in der chata, einer Art profanen Refugiums in Form einer mehr oder weniger kleinen Hütte, in die gewöhnlich mehr Geld und Liebe investiert wird als in die Stadtwohnung. Prag wird also leer sein. Leer die Straßen. Leer die Tram. Voll nur der Bus der Linie 119, der Reisende in einer Fahrt, was eine normale Straße nur an Achterbahnqualitäten herzugeben vermag, zum Flughafen bringt.

Völlig anders dann Delhi. Ich erinnere mich an die Ankunft letztes Jahr. Tief in der Nacht. Während der Pilot beim Ausrollen der Maschine in offenbaren Anflügen von Irrsinn noch dazu auffordert, bis zum Erlöschen des Zeichens angeschnallt zu bleiben, sind die indischen Reisenden schon fast mit dem Ausräumen der Gepäckfächer fertig. Draußen dann hinter einer Schutzreling ein Spalier von enthusiastischen Hotelchauffeuren.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=N52wVyqucHc[/youtube]

Delhi bei Tag ist ein immerwährendes Gewimmel, Prinzip gewordene Überfüllung, hausgemachte Hektik, alles muss ununterbrochen in Bewegung sein. So wie Wärme aus der Bewegung von Molekülen besteht, so besteht Delhi im Durcheinander von Menschen, Verkehrsmitteln und Geräuschen. Die Ächtung der Leere geht sogar so weit, dass kein Inder, nach dem Weg gefragt, eingestehen wird, dass er ihn nicht weiß. In Delhi nach dem Weg zu fragen ist die einfachste Weise, um die Stadt zu Fuß kennenzulernen.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=n7I2U-7ZMbI[/youtube]

Die Taj Mahal erspare ich mir diesmal. Ein höchst beeindruckendes Gebäude von atemberaubender Schönheit, verpackt jedoch in eine schmierigen Schicht postkolonialen Kitsches und umgeben von einem klebrigen Netz ausgeklügelter Touristenfallen, deren Betreiber skurpellose Meister psychologischer Kriegsführung sind. Wenn ich Beispiele für  Größe suche, dann fallen mir ein: Das Meer. Die Berge. Und die Slums von Indien. Ich weiß nicht, was ich weniger vertrage: den bloßen Anblick der Slums, oder die lächelnde Selbstverständlichkeit, mir der sie hingenommen werden.

So viel zum Tag “Minus Zwei”. An die sprachliche Rückkehr habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Auf Tirol freue ich mich. Auf Delhi bin ich höchst gespannt.

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